Traurig-schön: „Ultraviolence“ von Lana Del Rey

Berlin (dpa) - Lana Del Reys Songs erkennt man auf Anhieb: an den hingenuschelten Liedzeilen mit zittriger Stimme, am hypnotischen Klang von Streichern und Gitarren. Eine düstere Schwermut legt auch den Grundton für ihr neues Album „Ultraviolence“.

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Die 27-Jährige und ihre Musik sind erwachsener geworden. Wirkte sie auf dem Vorgängeralbum „Born To Die“ noch etwas zerbrechlich, so hört man nun gestiegenes Selbstbewusstsein heraus. „Mein Freund ist ziemlich cool, aber nicht so cool wie ich“, singt sie mädchenhaft lasziv im Song „Brooklyn Baby“.

Durch das Album ziehen sich wieder Gitarren-Riffs und Rockelemente. Trip-Hop-Elemente sind seltener als früher zu finden, daran dürfte Dan Auerbach, der Sänger des Garage-Rock-Duos Black Keys, als Produzent einen großen Anteil haben. Zufällig trafen sie sich auf einer Party, er lud die Sängerin in sein Studio ein. Aus dem Kurzbesuch wurde eine Zwei-Wochen-Session, erzählte Auerbach dem Musikmagazin „Rolling Stone“: „Sie sang live mit einer siebenköpfigen Band. Das ist die ganze Platte. Es war verrückt.“

„West Coast“, die erste Single-Auskopplung, überzeugt mit einem sphärischen Klang, über dem Lana Del Reys Stimme thront. Das lässige Lebensgefühl, das man mit Kalifornien assoziiert, packt sie in den Song hinein. Eine Frau verlässt ihren Liebhaber, weil es sie in die Ferne zieht, doch die Sehnsucht ist zu stark. Dabei spart Del Rey die Schattenseiten nicht aus: „Wenn du nicht trinkst, dann bist du nicht richtig dabei“, singt die Musikerin, die sich zu früheren Alkoholproblemen bekannt hat.

Eigene Erfahrungen will sie auch in den Titelsong „Ultraviolence“ gepackt haben, der mit Chorgesang und chilligem Bass-Sound aus Klavier, Streichern und Gitarrenfetzen opulent wirkt. Von ihrem „cult leader“ singt sie, deutet masochistische Unterwerfung in einer Sekte an: „Er schlug mich, aber es fühlte sich wie ein Kuss an.“ Es ist eine bewusste Provokation, genauso wie der Titel „Fucked My Way Up To The Top“. Nach oben geschlafen, das klingt nach Selbstironie.

Del Rey weiß, was sich verkauft - für die perfekte Inszenierung ist sie bekannt. Elizabeth Grant, wie sie mit bürgerlichem Namen heißt, hatte nur mäßigen Erfolg im Musikgeschäft, bevor sie zu Lana Del Rey wurde - mit schmollenden Lippen, traurigem Lidschatten und voluminöser Haarpracht. Manche Kritiker warfen ihr deshalb vor, nur ein hölzernes Kunstprodukt zu sein und nicht authentisch.

Ihrem Erfolg hat das nicht geschadet. Mit der Ballade „Video Games“ hatte sie 2011 ihren Durchbruch - im Internet. Binnen eines Monats wurde der Retro-Clip eine Millionen Mal geklickt, in Deutschland gab es für „Born To Die“ Gold und Doppel-Platin.

Wird sie die Kritiker und Zweifler nun überzeugen können? Auf dem neuen Album beweist sie, was sie mit ihrer Stimme alles anstellen kann: In „Shades of Cool“ singt sie mal glasklar, mal gebrochen und drängt eine hallige Kakofonie aus Streichern und E-Gitarren locker in den Hintergrund. An diesem wie auch an einigen anderen Songs hat wieder Rick Nowels mitgearbeitet, der auch für den Erfolg der schwedischen Sängerin Lykke Li mitverantwortlich ist.

Bei aller durchgehenden Melancholie wird es nicht langweilig. So bietet sie in „The Other Woman“ jazzigen Wohlfühlsound mit abgedämpfter Trompete und der vom Besen gewischten Trommel. Den Retro-Eindruck verstärkt noch ihr Gesang, der wie mit einem historischen Mikrofon aufgenommen klingt. „Meine Songs sind Super-8-Filme für die Ohren“ sagte die Sängerin der Nachrichtenagentur dpa zur Veröffentlichung des Albums „Born To Die“. Ein Satz, der auch für das neue Werk gilt.

Wer als Musiker ernstgenommen werden will, muss aber auch live auf der Bühne bestehen. Bisher schien das nicht die Stärke der 27-Jährigen zu sein. Verrissen worden war 2012 ein Auftritt in der TV-Show „Saturday Night Live“, bei dem sie wie ein verschrecktes Reh anmutete. Auch diese Schwäche scheint Vergangenheit zu sein. Beim Coachella-Festival im April wurde sie von den Fans gefeiert. Auch die Kritiken fielen sehr wohlwollend aus.

Das deutsche Publikum hat demnächst Gelegenheit, selbst zu urteilen: Am 20. Juni will Lana Del Rey in Berlin auftreten, unter freiem Himmel in der Zitadelle Spandau.