Udo Jürgens: „Das Älterwerden ist auch eine Kopfsache“

Mit 80 Jahren geht Udo Jürgens wieder auf Tournee. „Mitten im Leben“ heißt konsequenterweise der Titel seines neuen Albums.

Udo Jürgens beginnt Ende Oktober seine 25. Konzerttournee.

Foto: Marcus Brandt

Zürich. Diese Hits kennt jeder: „Aber bitte mit Sahne“, „Griechischer Wein“, „17 Jahr, blondes Haar“ oder auch „Ein ehrenwertes Haus“. Am Dienstag wird Udo Jürgens 80 Jahre alt. Für ihn Grund genug, noch mal durchzustarten. Mit einem neuen Album und einer großen Tournee. Ganz nach dem Motto: Lieber zu viel Tumult als zu wenig, wie Jürgens im Interview in seiner Schweizer Wahlheimat erzählt.

Foto: Ducklau

Herr Jürgens, als Sie 70 wurden, haben Sie Ihr „biologisches Alter“ mit „ungefähr 50“ angegeben. Und heute?

Udo Jürgens: Sein Leben in Bildern
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Udo Jürgens: Vielleicht wie 51. Also, ich merke keinen großen Unterschied, abgesehen von den typischen Wehwehchen, die man so hat, wenn man älter wird. Aber es gibt keinen Unterschied in meinem Geist. Dass die Lebensfreude verloren geht oder dass man zum Zyniker wird — wie das beim Älterwerden ja oft der Fall ist —, ist ausgeblieben bei mir. Wobei ich durchaus weiß, wie alt ich bin. Ich mache kein Geheimnis daraus und ich versuche nicht, durch alle möglichen Tricks jünger zu erscheinen.

Was nervt am Älterwerden?

Jürgens: Die Verkürzung des vor einem liegenden Weges. Es wird einem irgendwann bewusst, dass jeder Tag eine Verkürzung ist. Man sieht links und rechts im Freundeskreis die schweren Erkrankungen, die mit dem Alter begünstigt werden. Schon eine Grippe ist mit 80 lebensgefährlich. Das sind die Dinge, die einen ängstigen. Man wird vorsichtiger. Bei mir sind es, Gott sei Dank, bisher nur Wehwehchen. Das Älterwerden ist auch eine Kopfsache. Dass man sich dem im Kopf stellt und es nicht leugnet, ist wichtig. Aber wenn ich auf der Bühne stehe, ist der Unterschied zu früher nicht groß.

Ende Oktober beginnt Ihre 25. Konzerttournee. Werden die Fans Sie dann bei der letzten Zugabe wieder im weißen Bademantel erleben?

Jürgens: Das ist eine Tradition geworden, die man auch als Marotte bezeichnen könnte. Bei meinem ersten abendfüllenden Konzert, das war in Hamburg, gab es eine viertel Stunde lang Sprechchöre. Ich habe mir in der Kabine den Bademantel übergeworfen und bin wieder auf die Bühne. Da hat mein Manager gesagt, das war toll, das behalten wir bei. Und heute ist es so, dass man von meinem Bademantel mehr spricht als von mir (schmunzelt).

Wie viele Bademäntel haben Sie seitdem verschlissen?

Jürgens: Bestimmt nicht so viele, wie ich Konzerte gegeben habe, aber schon sehr viele.

Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach Ihrer Tour?

Antwort: Ja, aber erst mal keine neue Tournee. Ich werde in mich hineinhorchen. Ich will erst mal wieder kreativ sein. Wenn das gelingt und ich der Meinung bin, dass ich etwas Neues, Interessantes geschrieben habe, dann will ich damit auch wieder auf die Bühne.

Schlagzeilen haben Sie auch mit sogenannten Frauengeschichten gemacht. Gibt es etwas zu bereuen?

Jürgens: Ich glaube, ich habe da nicht allzu viel falsch gemacht. Es ist die normalste Sache der Welt, dass man sich als junger Mensch des Öfteren verliebt. Und ich war vom Wesen her immer ein Strohfeuertyp, so dass ich dachte, mein Leben könne nur noch mit diesem Menschen weitergehen. Mir tun nur die leid, die all das nicht erleben. Lieber etwas zu viel Tumult, den man durch seine eigenen Fehler erlebt, als gar keinen.

Das größte Glück im Leben?

Jürgens: Die Geburt meines ersten Kindes, meines Sohnes John. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich da nicht diesen Rausch des Glücks empfunden, wie später, als ich den Grand Prix Eurovision gewann (1966). Der jeweils größte Glücksrausch ging immer Hand in Hand mit meiner Musik. Das soll nicht mein Familienleben schmälern, ich liebe meine Kinder. Dass wir uns heute so nahe sind, ist ein unbezahlbarer Reichtum.

Bei einem Werk mit mehr als 1000 Liedern, würden Sie gern manches zurückziehen?

Jürgens: Ja, sicher. Ich habe Experimente gemacht, vom Klang her, von der Zusammensetzung der Musik her. Ich habe versucht, auf neuen Wellen zu schwimmen. Als die Beatles kamen, wollte man diese hochinteressante Harmonik kopieren. Ich habe alles Mögliche versucht. Immer, wenn ich sehr weit gegangen bin mit solchen Versuchen, bin ich gescheitert. Immer, wenn ich tief in mich hineingehört habe und meine Art, mich einem Thema zu nähern, angewandt habe, dann habe ich gemerkt, dass die Sache unglaublich erfolgreich wird. Das hat mir Mut gemacht, in meinem Stil zu bleiben.