Udo Lindenberg: „Glattes Terrain in Honey's Lampenladen“

Berlin/Hamburg (dpa) - Kaum ein West-Musiker war in der ehemaligen DDR so beliebt wie Udo Lindenberg.

Jahrelang hatte sich der Panikrocker aus dem Westen seit den 70er Jahren vergeblich um eine Tour durch die DDR bemüht und sich in Liedern und Briefen an „Honey“ (SED-Chef Erich Honecker) gewandt.

Am 25. Oktober 1983 konnte er schließlich ein kleines Konzert im Palast der Republik in Ost-Berlin geben - es sollte sein einziges bleiben. Im Interview der Nachrichtenagentur dpa erinnert sich Lindenberg an die Ereignisse von damals.

Frage: TV-Moderator Reinhold Beckmann, der damals als Kameraassistent dabei war, meinte, selbst beim Panikrocker einen Anflug von Panik an diesem Tag festgestellt zu haben. Wie stark war die Nervosität?

Antwort: Schon ziemlich, denn das war ja Grenzgängerei. Auf so einer Bühne, nur ein paar Sekunden zeitversetzt im offiziellen DDR Fernsehen - für mich Schritte ins Niemandsland. Ich wusste nicht: Was haben die denn da für'n Publikum im Palast der Republik? Und dann sah ich drinnen nur Blauhemden und draußen die richtigen Fans - das war 'ne echte Konfliktsituation. Da wurde ich dann natürlich auch nervös, mir war klar: Ich muss da irgendwie raus. Die hatten ein paar Controlletti-Offiziere auf mich angesetzt, die gucken mussten, dass alles cool über die Bühne geht. Also musste ich meine Bewacher austricksen.

Frage: Was ja letztlich auch funktioniert hat...

Antwort: Mit einem Trick: Wir gingen backstage da lang und ich sagte, dass ich mal kurz für kleine Jungs müsste. Mein Controlletti meinte: „Ja, trifft sich gut, ich muss auch.“ Da sind wir zusammen aufs Klo, allerdings musste der in der Tat, ich aber nicht. Ich bin dann gerannt - ganz schnell der kleine Speedy Gonzales mit Hut, vorbei an den ganzen hoch verdutzten Controllettis - nach draußen zu den echten Panikern auf'm Platz vorm Palast. Denen hab ich dann zugerufen: „Ey, wir haben den Vertrag für die Tournee durch die gesamte DDR in der Tasche!“ Darum ging's mir ja im Wesentlichen.

Frage: Beim Finale mit Harry Belafonte sitzt der Panikrocker in sich gekehrt hinterm Schlagzeug, steht nicht mit in der ersten Reihe. Konzertveranstalter Fritz Rau beschrieb diesen Moment einmal so: „Er war in diesem Moment der einsamste Schlagzeuger der Welt.“

Antwort: Ich fühlte mich in dem Moment auch sehr allein. Ich wollte mich nicht einreihen in diese Friedensidylle mit den anderen, habe mich also im großen Finale ans Schlagzeug zurückgezogen, meinen eigenen Streifen gemacht. Und das alles noch einmal reflektiert: War es cool, den Auftritt gemacht zu haben, oder vielleicht nicht ganz richtig? Es war richtig, dass ich es gemacht habe. Es sollte der Türöffner sein, um endlich auch für meine Fans und Freunde in der DDR 'ne Tournee spielen zu können. Ich wollte für die Panik-People da spielen in der DDR - und nicht für die SED. Aber es war natürlich ein glattes Terrain, das ich da betreten hatte in 'Honey's Lampenladen'.

Frage: Sind heute bei Panik-Konzerten noch Unterschiede zwischen Ost und West zu merken?

Antwort: Ja, es ist überall heißes Panik-Fieber, aber im Osten ist das noch zusätzlich eine wirklich super-tiefe Verbindung, die über die Jahrzehnte gewachsen ist. Ich war ja der einzige Sänger, der an diesem Wunsch, wieder zusammen zu sein, immer wieder charmant, aber nicht penetrant drangeblieben ist. „Mädchen aus Ostberlin“, „Rock 'n' Roll-Arena in Jena“, „Der Sonderzug nach Pankow“, „Der Generalsekretär“ usw. - es gab ja etliche Songs von mir dazu. Das hat die Menschen in der damaligen DDR und mich sehr eng verbunden - wir hatten diese spezielle Seelen-Brücke. Im Osten ist das wie eine Liebesbeziehung. Im Westen ist es auch wahnsinnig intensiv, nur bin ich da eher der Rock 'n' Roll-Kumpel, gar nicht so der Star. Nach dem Motto: Das ist einer von uns, Kellnerlehrling, Aschenbecherputzer - der kommt von ganz unten, so ein amerikanisch-westfälischer Traum.

Frage: Gefeiertes Comeback, erstes Nummer-Eins-Album der Karriere, Tourneen mit ausverkauften Hallen und nun noch Stadionkonzerte - wie weit nach oben geht noch?

Antwort: Ich freue mich über jede weitere Raketenstufe. Durch diesen Phönix-Flug halte ich nun gar nichts mehr für unmöglich. Mal sehen - bin sehr gespannt. Nach all den Jahren bin ich ja höhentauglich und tiefenentspannt und fühle mich fit für weitere Flüge am Zenitberg entlang. Ein bisschen thrillen und chillen auf dem Olymp, gefällt mir ganz gut.