Unbeschreiblich weiblich
Mit „Funhouse“ veröffentlicht Pink ihr neues Album in einem Jahr, in dem Frauen so erfolgreich Popmusik machen wie nie zuvor.
Es war eine Premiere, als am vergangenen Montag die Top 5 der deutschen Single-Charts erstmals ausnahmslos von Solo-Künstlerinnen belegt wurden. Rihanna, Gabriella Cilmi, Katy Perry, Amy MacDonald und an der Spitze Pink.
Kein Kerl in Sicht, keine breitbeinige Hip-Hop-Pose, keine verkrampft maskuline Gitarrenriff-Attitüde, nichts, was auf die sonst übliche Vormachtstellung des männlichen Geschlechts im hart umkämpften Musikgeschäft hindeuten würde.
Zur Kenntnis nahmen das nur Insider, denn eigentlich scheint der tiefe Graben zwischen männlich und weiblich im grell glitzernden Showbiz schon seit Jahrzehnten überwunden.
Tatsächlich ist es aber so, dass erfolgreiche Musikerinnen, vor allem solche Künstlerinnen, die sich jahre-, vielleicht sogar jahrzehntelang halten können, äußerst selten sind. Männer haben es hier einfacher, und das, obwohl der Pop mit seinem unverhohlenen Hang zur Nabelschau in der öffentlichen Wahrnehmung mindestens so weiblich wie männlich besetzt ist.
Da es sich dabei allerdings oft um austauschbare Pin-up-Fantasien handelt und die Medien als Reflektionsfläche des Musikgeschäfts von männlichen Meinungsmachern dominiert werden, geraten Frauen im Branchen-Bestreben, neue, hübsche und unverbrauchte Gesichter zu liefern, schneller aufs Abstellgleis. Madonnas Leistung, seit 25 Jahren kontinuierlich Erfolg zu haben, ist deswegen nicht nur ein Phänomen, sondern ein sprichwörtlicher Wegbereiter.
Größte Nutznießerin des derzeitigen Weiblichkeits-Booms im Pop ist Pink, deren neues Album "Funhouse" in ein ausklingendes Jahr platzt, dessen zehn meistverkaufte Alben bis auf eine Ausnahme (Coldplay) von Frauen eingesungen und -gespielt wurden: Casting-Stimmwunder Leona Lewis ("Spirit"), das walisische Reibeisen Duffy ("Rockferry"), die schottische Folk-Diseuse Amy MacDonald ("This Is the Life"), dazu die etablierten Größen Madonna ("Hard Candy") und Mariah Carey ("E=MC2") und natürlich das auch nach zwei Jahren immer noch unvermindert erfolgreiche "Back to Black" von Amy Winehouse machen das breite Gros des diesjährigen Massengeschmacks aus, kamen dazu auch bei der Kritik größtenteils gut an.
Neu ist bei den meisten, dass keinen gängigen Erfolgsklischees entsprochen wird. Vor allem die britische Neo-Soul-Front (MacDonald, Duffy, Adele) nutzt ihre Weiblichkeit, ohne sich medienwirksam in Szene zu setzen, sieht man mal von der wohl eher unbeabsichtigten Dauerpräsenz von Amy Winehouse in der Boulevard-Presse ab.
Pink verkörpert mit ihrem sorglosen Exhibitionismus und ihrer Freude an sexuell aufgeladener Maskerade das scheinbare Gegenteil, nutzt diese Stereotype allerdings selbstironisch zu ihren Gunsten.
Um vermeintlichen Artgenossinnen wie Britney Spears und Christina Aguilera ihre sklavische Abhängigkeit von Branchenriten vor Augen zu führen, verwandelt sie den Dreiklang "Tiefer Ausschnitt - williger Schmollmund - aufreizende Pose" in ein Krawall-Kabarett, an dessen Ende eine Punk-Barbie steht, die im Video zu ihrem Nummer-Eins-Hit "So What" sämtliche Entmannungsriten durchexerziert. Der Song dazu pendelt zwischen Pubgegröle und Ballermann-Tauglichkeit, aber selbst das dient eher als Statement denn als ernstgemeintes Liedgut.