Unter eigener Flagge: Ben Gibbard und James Iha solo
Berlin (dpa) - Sie prägten zwei der wichtigsten Indierock-Bands der vergangenen beiden Jahrzehnte - und zeigen sich jetzt auf Solo-Alben von einer anderen, sanften, poppigen Seite: Benjamin Gibbard und James Iha überzeugen auch unter eigener Flagge.
BENJAMIN GIBBARD, seit rund 15 Jahren Frontmann und Sänger bei Death Cab For Cutie, lässt schon mit dem Opener von „Former Lives“ (City Slang) erkennen, dass er sich vom Sound seiner Erfolgsband entfernen will. „Shepherd's Bush Lullaby“ ist eine nur knapp einminütige Acapella-Trällerei, in der er über den Londoner Regen und seine dennoch gute Laune singt. Das Liedchen wurde auf einem iPhone aufgenommen und wirkt dementsprechend improvisiert.
Mit dem anschließenden „Dream Song“ begibt sich Gibbard dann schon eher auf das von Death Cab bekannte verschattete Terrain, aber insgesamt bleibt die Grundstimmung dieses Albums recht hell und aufgeräumt - was angesichts der Trennung des 36-Jährigen von seiner Ehefrau Zooey Deschanel vor einem Jahr ein wenig verwundert. Es waren wohl auch ältere Lieder, die Gibbard nicht auf den Band-Alben unterbringen konnte und daher für seine Solo-Platte sammelte.
Eines der lieblichsten von vielen hübschen Liedern ist „Bigger Than Love“, das Powerpop-Duett mit der wunderbaren Aimee Mann - es hätte ohne weiteres auch auf deren im September erschienenes Album „Charmer“ gepasst. Mit „Lily“ und „A Hard One To Know“ hat Gibbard außerdem fast schon britisch anmutenden Gitarrenpop im Programm. „Something's Rattling“ bietet fröhliches Mariachi-Gebläse und Plinkergitarren auf, „Broken Yolk In Western Sky“ ist lupenreiner Westcoast-Pop mit jubilierender Pedal-Steel.
Weiter konnte sich Gibbard vom zuletzt krautrockig treibenden, hoch ambitionierten Death-Cab-Album „Codes And Keys“ (immerhin Platz 3 der US-Billboard-Charts) kaum absetzen. So schön leichtgewichtig das alles klingt - zwischendurch freut man sich dann doch wieder über eine melancholisch-tiefschürfende Ballade wie „Duncan, Where Have You Gone?“ mit mächtigen Progrock-Anklängen (vor allem an Procol Harum).
„Ich habe in kreativer Hinsicht mal reinen Tisch gemacht, das war ziemlich befreiend“, sagt Gibbard über die gelungene Resteverwertung auf „Other Lives“. Ein weiteres Solo-Album werde es wohl „für die nächsten zehn Jahre“ kaum geben, denn seiner Hauptband gehe es ja so gut wie nie zuvor. Was die Fans von Death Cab For Cutie - bei aller Begeisterung über diesen Egotrip - dann doch freuen dürfte.
JAMES IHA, von 1988 bis 2000 Gitarrist bei The Smashing Pumpkins, hat mit „Look To The Sky“ (The End Records) jetzt sein zweites Solo-Album draußen. War schon „Let It Come Down“ (1998) eine milde Angelegenheit und damals für Fans von Ihas Hauptband eine echte Überraschung, so erweist er sich mit dem 2012er Nachfolger nun als Hochkaräter des anspruchsvollen Softpop.
Mit heller Stimme intoniert der japanischstämmige Amerikaner seine Songs und kann sich als alter Hase der US-Indierock-Szene prominenter Unterstützung sicher sein: Karen O und Nick Zinner (The Yeah Yeah Yeahs), Sara Quin (Tegan And Sara), Nina Persson (The Cardigans), Kelly Pratt (Beirut, Arcade Fire), Adam Schlesinger (Fountains Of Wayne), Tom Verlaine (Television) - nur einige der bekannten Mitstreiter auf einem Album, das ein Dutzend Belege für die pure Schönheit des klassischen Westcoast-Sounds liefert.
Im Mittelpunkt stehen trotz des Großaufgebots an Indierock-Stars der sanfte Gesang des 44-jährigen Iha und seine wunderbare Gitarrenarbeit. Auf „Appetite“ wird es mit Feedback, Bläsern und stolpernden Klavierklängen zwischenzeitlich experimentell, aber insgesamt überwiegen herrliche Balladen und Lieder, die einem akustischen Sonnenaufgang gleichkommen.
Besonders „Dream Tonight“ ist von einer unaufdringlichen Zärtlichkeit, die an die großen Singer/Songwriter der 70er erinnert. Kurz: Mit „Look To The Sky“ sorgt der zeitweise in der Versenkung verschwundene James Iha für eine der angenehmsten Überraschungen dieses Pop-Herbstes.
Tourneedaten von Benjamin Gibbard: 29.11 Hamburg - Kulturkirche, 30.11 Berlin - Passionskirche, 01.12 München - ON3 Festival