Zum Tod von Hans Werner Henze: Tonkunst und Politik
Der große Komponist Hans Werner Henze ist gestorben.
Dresden/Marino. Er war der bedeutendste, der produktivste und der meistgespielte Komponist der Gegenwart — Hans Werner Henze. Am Samstag ist er mit 86 Jahren in einem Dresdener Krankenhaus gestorben. Während einer Konzertreise hatte er in der vergangenen Woche einen Zusammenbruch als Spätfolge einer Parkinson-Erkrankung erlitten.
Hans Werner Henze wollte Zeit seines Lebens nicht nur die Musik erneuern, sondern auch die Gesellschaft — ein politischer Anspruch, der sich aus den Brüchen seines Lebens speiste. Die Konflikte mit dem autoritären Vater, Dorfschullehrer und Nazi-Sympathisant in Gütersloh, prägten ihn nachhaltig.
1953 wanderte der Künstler, der offen mit seiner Homosexualität umging, nach Italien aus, wo er auf einem Landsitz nahe Rom lebte. Im Sog der 68er und seines Freundes Rudi Dutschke agierte er auf der Weltbühne jahrzehntelang als antibürgerlicher Klassenkämpfer und Verfechter des Sozialismus.
Das trug ihm in Deutschland viele Schmähungen ein. Sie reichten vom stillschweigenden Boykott seiner Werke bis zum Eklat, als sich der Rias-Chor 1968 in Hamburg weigerte, unter einer roten Flagge das dem Revolutionär Che Guevara gewidmete Oratorium „Das Floß der Medusa“ zu singen. Erst die realen Verhältnisse und das Alter ließen ihn dorthin zurückkehren, wo alles angefangen hatte: zur Musik.
Henze hat in seinem langen Künstlerleben mehr als 130 musikalische Werke geschaffen, Opern, Symphonien, Konzerte, Lieder und Filmmusik. „Von Anfang an hatte ich Sehnsucht nach dem vollen, wilden Wohlklang“, lautete sein musikalisches Credo.
Der Durchbruch kam 1965 mit der Oper „Der junge Lord“. 1966 wurden „Die Bassariden“ in Salzburg bejubelt. Henze schrieb Opern zu Texten von Wolfgang Hildesheimer, Ingeborg Bachmann und Enzensberger.
Sein Stil orientierte sich an Strawinsky, Hindemith und Schönberg — aber auch Elemente aus Jazz, Unterhaltungs- und Barockmusik nutzte er. Die Kritiker verbeugten sich vor dem „Genie der Wandlungsfähigkeit“ und „Talent-reichsten seiner Generation“.