Von glücklichen Elefanten und Trennungsschmerz

Berlin (dpa) - Popmusik abseits ausgetretener Pfade, mit Melodien, die dank Widerhaken nicht auf Anhieb ins Ohr gehen, dann aber nachhaltig dort verweilen: Das bieten neue Alben der Londoner Band Lucky Elephant und des Norwegers Sondre Lerche.

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Dass es sich bei LUCKY ELEPHANT zumindest überwiegend um Briten handelt, lässt schon der Titel ihres zweiten Albums, „The Rainy Kingdom“ (Sunday Best/Pias/Cooperative), erahnen. Produziert hat die Platte Paul Butler von der ebenfalls einigermaßen schrägen englischen Popband The Bees, der zuletzt die Karriere des tollen Brit-Soul-Sängers Michael Kiwanuka in Schwung brachte.

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Mit den glücklichen Elefanten betreut Butler nun eine Truppe, die sich auf große Exzentriker der britischen Musikhistorie bezieht (The Penguin Cafe Orchestra) und andere exquisite Vorbilder von der Insel mehr als nur erahnen lässt (The Kinks, Caravan, Ian Dury, XTC, The High Llamas, Blur). Was das vom französischen Sänger Emmanuel „Manu“ Labescat angeführte Quartett hier zusammengebraut hat, dürfte dieses Jahr zu den originellsten Platten aus dem Mutterland des Pop gehören.

Britischer Folk und Dub-Reggae, edel orchestrierter, beatlesker Pop, groovende Jazzpiano-Melodien und untergründige New-Wave-Energie verschmelzen auf „The Rainy Kingdom“ zu einem äußerst kurzweiligen Mischmasch. Ihre Musik sei „a bizarre mixture of the old, the new, the soft and the heavy“, so beschrieb die Band ihr eklektisches Wirken in einem Interview. Und dass man Inspiration beziehe „von jedem, der Musik macht, ohne unbedingt berühmt werden zu wollen“.

Bleibt zu hoffen, dass Lucky Elephant sich nicht allzu sehr an diese Devise halten und ein wenig berühmter werden, als sie es (noch) sind. Lieder wie der schläfrig dahinrollende Opener „Old Kent Road“, der federnde Soulpop-Song „All The Streets I Have Known“, die prächtige Folkballade „Emperor“ oder der mit satten Bläsersätzen aufgebrezelte Schlusssong „Little Darlings“ hätten es definitiv verdient. Und auch die charmant windschiefe, an Damon Albarn (Blur) erinnernde Stimme des Franzosen Labescat ist unbedingt hörenswert.

Während der Sound von Lucky Elephant bei aller Schräglage recht unbeschwert klingt, liegt die Sache bei SONDRE LERCHE anders: Sein siebtes Album seit dem vielbachteten Debüt „Faces Down“ von 2002 entstand in Zeiten der Trennung von Ehefrau Mona Fastvold, und entsprechend zerrissen zwischen Verletzlichkeit, Reue, Liebesleid, kaum unterdrückter Wut und Aufbruchstimmung wirken denn auch die Songs von „Please“ (Yep Roc/Cargo).

Sondre Lerche, ein auch mit 32 Jahren noch äußerst jungenhaft aussehender Künstler, hat schon mit Bar-Jazz („The Duper Sessions“/2006), krachendem Rock („Phantom Punch“/2007), Singer/Songwriter-Stoff („Sondre Lerche“/2011) und immer wieder Pop jenseits des Mainstreams experimentiert. Der Norweger verfügt über eine zwar nicht im klassischen Sinne schöne, aber sehr flexible Stimme und beherrscht eine Unmenge an Instrumenten. In seinen ausgereiften Liedern bezieht er sich auf ein breites Spektrum an Einflüssen - zwischen Prince und Elvis Costello, Beck und Prefab Sprout, Burt Bacharach und Jeff Buckley.

„Please“ ist laut Online-Magazin „Popmatters“ das bisherige Meisterwerk des Mannes aus Bergen - weil das Album die Gefühle einer Trennungsphase in Songs voller (Aus-)Brüche verarbeite und dabei die großen Melodien nicht vergesse. Das kann man so sehen. Zwar vermisst man gelegentlich die heimelige Atmosphäre früherer Lerche-Alben, aber ohne Zweifel ist dies ein hoch ambitioniertes Werk mit einigen seiner stärksten Songs.

Noise-Elemente wie im Opener „Bad Law“ oder in „After The Exorcism“ lassen die Schönheit anderer Lieder nur noch heller glänzen, etwa „Crickets“, das jazzige „At Times We Live Alone“ (ein Sinatra-Stück im Indiepop-Gewand), die balladesken Album-Höhepunkte „Sentimentalist“ und „Lucky Guy“. Kurzum: Mit „Please“ reiht sich Sondre Lerche bei den Künstlern ein, die mit einer Trennungs- und Trauerplatte ein Karriere-Highlight abliefern.

Konzerte Sondre Lerche: 3.11. Berlin, Berghain Kantine; 4.11. Köln, MTC; 6.11. Hamburg, Prinzenbar