Wagners Welt von A bis Z

Das Universum des umstrittenen Musik-Genies: Festspiele und Familienstreit, Mäzene und Geliebte, Tristan und Isolde.

Bayreuth. Er war Revolutionär und der wichtigste Erneuerer des Musiktheaters im 19. Jahrhundert. Er konnte seine Mäzene geschickt umgarnen. Er verfasste antisemitische Schriften und wurde später von den Nationalsozialisten vereinnahmt, was der Clan in Bayreuth nur zu gern geschehen ließ. Richard Wagner ist einer der größten und zugleich umstrittensten Komponisten der Musikgeschichte.

Es ist sein Jubiläumsjahr: Am 22. Mai wird sein 200. Geburts- und heute der 130. Todestag gefeiert. Bundesweit haben die Opernhäuser ihr Programm darauf ausgerichtet. Ausstellungen nehmen ihn zum Thema. Ausgerechnet in Bayreuth fehle es aber an einer kritischen Auseinandersetzung, sagt Regisseur Hans Neuenfels („Lohengrin“). „Das ist sehr bedauerlich und völlig daneben. Man kann sich nicht kultisch abschließen.“

Sven Friedrich, Leiter des Bayreuther Richard-Wagner-Museums, plädiert für eine Aufführungspraxis „im Bewusstsein der prekären Wirkungsgeschichte“. Doch vor allem müsse man sich auf das Werk konzentrieren: „Man wird Wagner nur gerecht, indem man ihn aufführt und anschaut.“

A wie Alberich: Bass-Partie in der monumentalen Tetralogie „Ring des Nibelungen“. Wirbt um die Rheintöchter, die den hässlichen Zwerg abblitzen lassen. Raubt deshalb aus Rache das Rheingold. Schmiedet einen Ring, der Weltherrschaft verheißen soll.

B wie Bayreuth: Als Wagner 1874 kommt, ist Bayreuth ein Provinzstädtchen, dessen Bedeutung und Glanz im Barock verblasst ist. Wagner aber kann hier seine Festspielpläne verwirklichen. Heute sind die Festspiele und Wagner Bayreuths wichtigste Markenzeichen.

C wie Cosima: Wagners zweite Frau und Tochter von Franz Liszt. Er spannt sie Hans von Bülow, einem engen Freund, aus. Nach Wagners Tod 1883 wird Cosima (1837 — 1930) Festspielchefin. Antisemitische und nationalistische Ideen sind unter ihrer Ägide salonfähig in Bayreuth.

D wie Dresden: 1843 wird Wagner Kapellmeister an der Hofoper. 1849 beteiligt er sich am Dresdner Maiaufstand. Wird danach steckbrieflich gesucht. Flieht in die Schweiz.

E wie Erlösung: Grundthema bei Wagner. Der Holländer sehnt sich nach Erlösung genauso wie Tannhäuser. Parsifal soll der Erlöser selbst sein.

F wie Familie: Deutschland hat kein Königshaus — aber die Wagners. Zoffende Familienstämme, Nachfolgestreit, Gerangel um Nachlässe. Da wird regelmäßig viel geboten.

G wie Geburt: Wagner kommt am 22. Mai 1813 in Leipzig als neuntes Kind des Polizeischreibers Carl Friedrich und dessen Frau Johanna Rosine zur Welt. Ein halbes Jahr später stirbt der Vater.

H wie Holländer: Titelpartie in der Oper „Der Fliegende Holländer“. Seefahrer, der verflucht ist und nur alle sieben Jahre an Land kommt. Erlösen könnte ihn nur die bedingungslose Treue einer Frau.

I wie Isolde: Extrem herausfordernde Partie, die der Sängerin alles abverlangt. Ohne Erfahrung und Mut geht da gar nichts. Deshalb ist auf der Bühne oft eine Isolde gesetzteren Alters zu sehen.

J wie Judentum: Der Antisemitismus ist die dunkle Seite Wagners und macht ihn zum umstrittenen Künstler. Sein Aufsatz „Das Judentum in der Musik“ wäre voller übler und abstoßender Verunglimpfungen. Nicht zuletzt deshalb ist Wagners Musik in Israel heute noch nicht akzeptiert.

K wie Katharina: 34-jährige Wagner-Urenkelin, die mit ihrer Halbschwester Eva Wagner-Pasquier (67) seit 2008 die Bayreuther Festspiele leitet. Sie ist eine Tochter des langjährigen Festspielchefs Wolfgang Wagner.

L wie Ludwig II.: Wagners Mäzen und Verehrer. Ergriffen und beeindruckt von „Lohengrin“ und „Tannhäuser“. Holt Wagner an seinen Hof, rettet ihn vor dem finanziellen Ruin. Gibt ihm immer wieder Geld. Gemeinsame Pläne für ein Festspielhaus in München scheitern. Aber immerhin klappt es in Bayreuth.

M wie Mathilde: Ihr Mann Otto Wesendonck ist Wagners Gönner in dessen Schweizer Zeit. Mathilde, die Frau aus Elberfeld (heute Wuppertal), ist Wagners Muse und Geliebte, seine Seelenverwandte und Inspirationsquelle für „Tristan und Isolde“. Wagner vertont Gedichte von Mathilde („Wesendonck-Lieder“).

N wie Nürnberg: Rar sind die Städte, die es in einen Opern-Titel schaffen. Bei Nürnberg hat’s geklappt — dank Wagner und seinem Werk „Die Meistersinger von Nürnberg“. Uraufführung 1868.

O wie Orchestergraben: Heißt im Bayreuther Festspielhaus auch mystischer Abgrund. Das Orchester ist hier für das Publikum unsichtbar, ein Deckel schirmt die Musiker ab.

P wie Parsifal: Wagners letztes Werk wird Bühnenweihfestspiel genannt. Sollte nach Wagners Wünschen eigentlich nur in Bayreuth aufgeführt werden. Ist heute natürlich auch anderswo zu sehen und zu hören.

Q wie Qual: Kann eine Wagner-Oper auch sein. Schließlich dauern die meisten Werke locker fünf Stunden. In Bayreuth sind zudem die Sitze unbequem. Das dient aber der besseren Akustik, weil Polstersessel Töne schlucken. Der Platz im Haus ist beengt und die Luft hat — nun ja — keine Kurort-Qualität.

R wie „Ring des Nibelungen“: Tetralogie aus „Das Rheingold“, „Die Walküre“, „Siegfried“ und „Götterdämmerung“. Gesamtspieldauer ohne Pausen: circa 16 Stunden. Grundmotive aus der Nibelungensage und der nordischen Mythossammlung Edda. Uraufführung 1876 in Bayreuth.

S wie Siegfried: Drittes Kind von Cosima und Wagner. Übernimmt 1908 die Festspielleitung. Auch als Dirigent, Komponist und Librettist aktiv. 1915 Heirat mit Winifred, die später die Nähe zu Hitler und anderen Nazionalisozialisten sucht. Auch Siegfried verehrt Hitler. Siegfried stirbt 1930, Winifred übernimmt das Zepter in Bayreuth.

T wie Tristan-Akkord: f — h — dis — gis. Im zweiten Takt des Vorspiels zu „Tristan und Isolde“. „Ein Akkord an der Grenze zur Dissonanz“ schreibt Dirigent Christian Thielemann. Mit dem Akkord öffneten sich „Höllentor und Himmelspforte zugleich“, er sei „der Code für die gesamte musikalische Moderne“. Der Akkord ist berühmt — aber längst nicht entschlüsselt.

U wie Urlaub: Viele Mitwirkende opfern ihren Urlaub, um bei den Festspielen zu arbeiten. Für Kanzlerin Angela Merkel dagegen ist Bayreuth purer Urlaub. Sie ist mit ihrem Mann zwar vielfotografierter Premierengast, später aber auch bei anderen Aufführungen ohne Blitzlichtgewitter anzutreffen.

V wie Venedig: Hier stirbt Wagner am 13. Februar 1883, während er einen Aufsatz über „Das Weibliche im Menschlichen“ schreibt. Angereist war er im September 1882, um dem Winter im fränkischen Bayreuth zu entgehen. Seit seinem ersten Aufenthalt 1858 gehört Venedig, „die leiseste Stadt der Welt“, zu seinen Lieblingsorten.

W wie Wahnfried: Wagners Wohnstätte in Bayreuth, zum großen Teil von Ludwig II. finanziert. Heute Museum. Einzug der Wagners 1874 nach Jahren der Unrast. Deshalb der Schriftzug auf der Stirnseite des Gebäudes: „Hier wo mein Wähnen Frieden fand — Wahnfried sei dieses Haus von mir benannt.“ Im Garten ist Wagner begraben. Derzeit nicht zu besichtigen, da Baustelle.

X wie Xylophon: Bei Wagner im Orchester nicht vorgesehen.

Y wie YouTube: Beim Videoportal liefert der Suchbegriff „Richard Wagner“ rund 115 000 Treffer. Hits sind der Walkürenritt, Siegfrieds Trauermarsch und das „Lohengrin“-Vorspiel. Den Brautchor aus „Lohengrin“ muss man aber oft als Keyboard-Version ertragen.

Z wie Zürich: Nach dem Dresdner Maiaufstand flieht Wagner hierher. Er schreibt wichtige theoretische Schriften. Wegen der Wesendonck-Verwicklungen muss er wegziehen. Kommt später wieder in die Schweiz, ab 1866 findet er Asyl nahe Luzern. Bleibt dort bis zum Umzug nach Bayreuth.