Wolfgang Niedecken: Schlaganfall kam durch Husten
Köln (dpa) - Wolfgang Niedecken (62) denkt schon gar nicht mehr an seinen Schlaganfall, sagt er. Im Interview ist dann aber doch ziemlich oft davon die Rede.
Frage: Sie sehen ziemlich erholt aus. Waren Sie nicht krank?
Antwort: Sie meinen, der Schlaganfall? Ach, da denk ich schon gar nicht mehr dran.
Frage: Wenn Sie nicht ständig drauf angesprochen würden...
Antwort: Ja, aber das kann auch schön sein. Neulich zum Beispiel, da kommt eine Oma übern Supermarktparkplatz auf mich zu, mit 'nem Rollator. Ich denk noch: Steuert die mich an? Ja, sie steuerte mich an! „Et ess esu schön, dattet dir widder joot jeht, Jung.“ Großartig. Und das, obwohl das ja vom Alter her bestimmt nicht unsere Kundschaft war.
Frage: Für die BAP-Gemeinde war es ja unter anderem deshalb so ein Schock, weil jeder unwillkürlich gedacht hat: Was, jetzt schon? Sind wir schon soweit?
Antwort: Klar, man kommt irgendwann in das Alter, wo man bei den Todesanzeigen in der Zeitung automatisch guckt: Wann sind die geboren? Wenn man in meinen beiden Büchern mal nachguckt, wieviele von denen, die da vorkommen, schon tot sind, dann wird einem doch ein bisschen anders.
Frage: Aber kürzer treten Sie deswegen nicht, oder? Neues Album, neues Buch, neue Tour...
Antwort: Dieser Schlaganfall ist nicht dadurch entstanden, dass ich mir zuviel zugemutet hätte. Ich hatte mir beim Wohnmobilurlaub in den USA einen Husten eingefangen, habe eine Woche richtig schlimm durchgehustet, dadurch hat sich eine kleine Wunde in der Halsschlagader gebildet, und da ist dann ein Gerinsel nach oben gestiegen - das war's.
Frage: Nichts mit Stress?
Antwort: Nee, gar nicht. Aber gut: Ich hätte diesen Husten nicht gekriegt, wenn ich weiter meinen Sport gemacht hätte. Mittlerweile mache ich keine Termine mehr, bevor ich morgens nicht mindestens 'ne Stunde im Schwimmbad war oder zu Hause auf dem Heimtrainer. Und ich gehe geradezu imageschädigend früh ins Bett. Ich hab die Message verstanden.
Frage: Ist auch das neue Album davon beeinflusst? Die Stücke klingen ja alle sehr ruhig und nüchtern.
Antwort: To the point, ja. Also, erstmal war da die Idee, ausschließlich Songs für die Mutter meiner Töchter aufzunehmen, die sich in dieser Sache ja geradezu als mein Schutzengel erwiesen hat. Die hat sofort erkannt, dass das ein Schlaganfall war, und dadurch war ich eine halbe Stunde später genau an der richtigen Stelle in der Neurologie. Das war also ein Grund. Aber ich hatte immer noch das Problem: Wie schaffe ich das, ohne die Kreise von BAP zu stören? Ich hab's geschafft, indem ich das Album ohne die Band aufgenommen habe. Denn sonst hätte ich automatisch wieder für Vollbeschäftigung gesorgt, dann hätten sie alle wieder gespielt, wir hätten dieses ganze Album nicht an meinem Vortrag orientieren können.
Frage: Wie hat die Band reagiert?
Antwort: Sie findet das Ergebnis toll, Gottseidank. Denn sonst wären die natürlich nicht bereit gewesen, damit nächstes Jahr auf Tournee zu gehen.
Frage: Das heißt, die nächste BAP-Tour wird so wie das Album?
Antwort: Wir können noch nicht sagen, welches Programm wir bei der Tour machen. Das hängt stark davon ab, wie dieses Album ankommt. Das Publikum will natürlich auch Sachen wiedererkennen. Wir werden Songs spielen, die etwas spezieller sind, aber natürlich werden wir auch „Verdamp lang her“ spielen, keine Frage.
Frage: Entstanden ist das Album ja in Woodstock. Ist es nicht komisch, in Amerika Kölsch zu singen?
Antwort: Die anderen haben das für Portugiesisch gehalten. Und Hochdeutsch hätte da auch niemand verstanden, insofern war's egal.
Frage: Außerdem versteht in Köln ja auch keiner mehr Kölsch. Bedauern Sie das?
Antwort: Die Dialekte sind weltweit auf dem Rückzug. Aber klar macht mich das irgendwo traurig - Kölsch ist meine Muttersprache.
Frage: Nach dem Schlaganfall konnten Sie ja sogar erst nur Kölsch sprechen. Wie ist das zu erklären?
Antwort: Da habe ich mit dem Professor auch drüber gesprochen, und der hat gesagt: „Klar, es gibt Pizzabäcker, die haben einen Schlaganfall, und die können danach nur noch Italienisch. Deutsch ist weg.“
Frage: Mit wem sprechen Sie überhaupt noch Kölsch? Ihre Frau kommt aus Bayern...
Antwort: Ja, aber die versteht's, die kann's sogar schreiben. Es gibt einige Menschen, die ich seit so ewigen Zeiten kenne, mit denen kann ich einfach nicht Hochdeutsch reden. Aber die Menschen, mit denen ich noch Kölsch rede, kann ich vielleicht an zwei Händen abzählen. Die kölschen native speakers sterben aus.