"Marionetten" So rechts ist das neue Lied der Söhne Mannheims um Xavier Naidoo
Mit dem neuen Lied "Marionetten" schießen sich die Söhne Mannheims auf die rechte Umlaufbahn. Die Stadt Mannheim geht deutlich auf Distanz zu der Popband - die aus Marketingsicht eigentlich ein Segen wäre.
Mannheim. Eigentlich kann Mannheim aus Marketingsicht nichts Besseres passieren als eine Popband, die sich „Söhne Mannheims“ nennt, mit Xavier Naidoo (45) einen noch populäreren Solomusiker hervorbringt und ihrem neusten Album dann sogar den Namen „MannHeim“ gibt. Aber zum Tourauftakt ging die ehemalige Residenzstadt der Kurpfalz erneut auf Distanz zu ihren Werbeträgern. Der nicht zum ersten Mal erhobene Vorwurf: antistaatliche Aussagen.
Anlass ist das Lied „Marionetten“, mit dem Naidoo auf dem aktuellen Album der alten Kritik neue Nahrung gibt, er sitze einem kruden Weltbild rechter Verschwörungstheorien auf. 2015 kostete ihn das die Teilnahme beim Eurovision Song Contest. Damals sprangen ihm noch namhafte Künstler bei — von Mario Adorf über Jan Josef Liefers bis zu Herbert Grönemeyer.
Doch das kolportierte Selbstbild vom begnadeten Sänger, der nur Künstler sein und niemandem etwas Böses will, lässt sich nicht länger aufrechterhalten. Dafür strotzt der „Marionetten“-Text nur so vor unmissverständlicher Dumpfheit. Da sind die Marionetten und Steigbügelhalter, die nicht erkennen, dass sie an den Fäden der Puppenspieler hängen. Da werden „die Tatsachen schon wieder verdreht“ und man vergeht sich an Unschuldigen. „Alles nur peinlich — und so was nennt sich dann Volksvertreter. Teile eures Volkes nennt man schon Hoch- beziehungsweise Volksverräter.“ Alles nicht so gemeint?
Politikern, die nicht einsichtig sind, droht der Song mit dem wütenden Bauern und seiner Forke. Und dann bringt das absurde Politgestammel die „Volks-in-die-Fresse-Treter“ noch mit Pizzagate in Verbindung, jener Wahnblüte des US-Wahlkampfs, wonach Hillary Clinton und weitere Demokraten einen Kinderpornoring aus dem Keller einer Washingtoner Pizzeria betrieben hätten. Für Naidoo Grund genug, den Selbstjustizfantasien von Volkes Stimme zu frönen: „Wenn ich so ein’ in die Finger krieg’, dann reiß’ ich ihn in Fetzen. Und da hilft auch kein Verstecken hinter Paragrafen und Gesetzen.“
Der neue Song, laut „Söhne“-Sänger Henning Wehland nur ein „Appell zum Nachdenken“, reiht sich ein in eine lange Kette von Entgleisungen: Naidoos Auftritt am 3. Oktober 2014 vor „Reichsbürgern“ in Berlin; sein 2009 veröffentlichter Song „Raus aus dem Reichstag“ mit seinem „Baron Totschild“ als Anspielung auf das jüdische Bankhaus Rothschild; seine schon 1999 geäußerte Selbsteinschätzung: „Ich bin ein Rassist, aber ohne Ansehen der Hautfarbe.“
In den Charts kratzt „Marionetten“ seit der Veröffentlichung am 21. April um den Platz 50 herum. In rechten Foren erfreut er sich höchster Beliebtheit. Das AfD- und Pegida-Magazin Compact jubelt schon von der „Hymne der friedlichen Volksopposition“.
Beim Tourauftakt am Montag in Mannheim verzichtete die Band auf die Aufführung. Dafür ist ein Gespräch mit den Stadtoberen von Mannheim in Aussicht gestellt. Was für das Verhältnis zur Stadt Mannheim daraus folgt, ist offen. Dafür scheint Naidoos Verhältnis zur Demokratie geklärt.