„Wagners Frauenbild ist teilweise völlig überholt“
Sopran-Star Anja Harteros über ihr Debüt in Bayreuth und ihre Spurensuche auf dem Grünen Hügel.
Frau Harteros, Sie geben in diesem Jahr Ihr Bayreuth-Debüt. Die Inszenierung bildet den Auftakt der diesjährigen Festspiele. Macht Sie das sehr nervös — oder sehen Sie diesem Auftritt wie jedem anderen entgegen?
Harteros: Man sollte das zwar nicht überbewerten, aber es ist schon etwas Besonderes: Die Eröffnungspremiere und gleichzeitig mein Debüt in diesem Haus. Natürlich hat Bayreuth diese ganz spezielle Stimmung — die ich allerdings nur aus den Medien kenne. Das Haus kenne ich nur aus meiner Schulzeit, da haben wir mal einen Ausflug dahin gemacht und eine Führung bekommen. Bei einer Aufführung war ich allerdings noch nie.
Warum nicht? Interessiert Sie Wagner nicht so sehr?
Harteros: Doch, Wagner interessiert mich sehr. Ich habe mir aber nie gesagt, dass ich unbedingt in Bayreuth auftreten muss. Zumal auch die Bedingungen in Bayreuth speziell sind. An anderen Theatern kann man mehr Geld verdienen und man ist bei den Proben etwas flexibler. Dazu kommt, dass ich bei den Festspielen in München immer sehr involviert bin, die gehen bis Ende Juli. Das war mir wichtig, denn ich wollte München nicht für Bayreuth opfern.
Aber Bayreuth umweht ein ganz besonderer Glamour . . .
Harteros: Ja, Bayreuth steht im Sommer immer irgendwie im Fokus — zumindest medial. Vor allem aber freue ich mich darauf, dass ich in dem Richard-Wagner-Haus auf Spurensuche gehen kann: Wie hat sich der Komponist das vorgestellt? Was war sein Ideal von einem Opernhaus? Ich bin gespannt, inwiefern mich das berührt und ob ich das überhaupt spüre. Vor allem aber freue ich mich auf die Arbeit mit Christian Thielemann.
Wie nahe stehen Sie grundsätzlich Wagner?
Harteros: Das ist eine schwierige Frage. Die Musik von Richard Wagner ist ein absoluter Traum. Das geht mir schon sehr nahe. Ich habe ja mehrfach Wagner gespielt: Eva aus den „Meistersingern“, bei „Tannhäuser“ die Elisabeth, Sieglinde in der „Walküre“ und natürlich auch die Elsa im „Lohengrin“. Wenn ich auf der Bühne in diesen Rollen stehe, erlebe ich manchmal auch aggressive Momente. Das Frauenbild, das hier gezeigt wird, ist teilweise völlig überholt. Aus dem Blickwinkel einer modernen Frau ist das gelegentlich schwer zu ertragen.
Mit welchen der großen, verstorbenen Dirigenten hätten Sie gerne gearbeitet?
Harteros: Ich hätte sehr gerne mit Wilhelm Furtwängler gearbeitet. Das hätte ich gerne mal gemacht, weil mir das so nahe geht. Das war, glaube ich, durch und durch ein Musiker. Und vollkommen unprätentiös, immer der Musik dienend.