Meinung Bei Tabakwerbung geht es um Recht, nicht um Rauch

Wenn es auch nur entfernt um das Thema Rauchen geht, sind in Deutschland (wie auch in anderen EU-Ländern) sachliche Diskussionen kaum noch möglich. Das zeigt auch das Unverständnis, welches am Montag die Reaktionen auf die wahrscheinliche Blockade des Tabakwerbeverbots durch die Unionsfraktionen bestimmte.

Ulli Tückmantel.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Daher zur Klarstellung: Niemand hat die Aufhebung des Nichtraucher-Schutzes gefordert, niemand will bereits bestehende Werbeverbote aufweichen, niemand will die EU-Tabakrichtlinie aushebeln.

Tabak- und Zigarettenwerbung ist seit Jahren in Zeitungen, Zeitschriften, TV und Radio so wie im Internet verboten. Die Packungen müssen demnächst Schockbilder tragen. Der Verkauf an unter 18-Jährige ist verboten, der Konsum in öffentlichen Einrichtungen und Verkehrsmitteln verboten. Der gestoppte Kabinettsentwurf von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) geht aber einen Schritt weiter: Erstmals würde ein totales Werbeverbot für ein legales Produkt erlassen, das im Rahmen der Altersbeschränkungen ansonsten frei verkäuflich ist.

Und genau dagegen richten sich die Bedenken, die man eben nicht so einfach wegwischen sollte, bloß weil es ja irgendwie auch ums Rauchen geht. Es geht vor allem um den Schutz der freien Meinungsäußerung, die eben auch die Werbung schützt. Und es geht um den Schutz der Berufsfreiheit. Dass vor allem die Werbe-Wirtschaft, aber auch der Markenverband gegen den Gesetzentwurf Sturm laufen, hat einen guten Grund: Ist der Damm nämlich einmal gebrochen, ein legales Genussmittel mit der Begründung des (echten oder vermeintlichen) Gesundheitsschutzes mit einem vollständigen Werbeverbot zu belegen, dann kann es in Zukunft auch andere Produkte treffen, die von einer bevormundenden Politik als zu gefährlich oder schädlich für die Volksgesundheit eingestuft werden: Zuviel Zucker im Produkt? Zuviel Salz? Auch noch Fett? Oder etwa Alkohol?

In der Schweiz hat der Ständerat (die kleinere der beiden Kammern des Parlaments) gerade ebenfalls ein totales Werbeverbot für Tabakprodukte gestoppt. Die Mehrheit sah in dem Gesetzesentwurf einen „Angriff auf die freie Marktwirtschaft“ und eine Bevormundung der Kantone. 15 der 26 Schweizer Kantone haben Plakatwerbung für Tabakprodukte bereits verboten — aber die anderen eben nicht, und sie wollen sich nicht bevormunden lassen.

Auch wenn die Verbotsbefürworter es anders darstellen: Es geht um die Verhältnismäßigkeit. Und es geht um Recht, nicht um Rauch. Es geht darum, dass mit dem Verbot die Tür aufgestoßen wird für weitere Freiheitsbeschränkungen und eine anmaßende Nanny-Politik, die mündige Bürger immer häufiger wie Betreuungsbedürftige behandelt. Zur Freiheit gehört auch die Freiheit zur Unvernunft.