Das Schreckgespenst der großen Koalition
Nach dem TV-Duell fühlen sich beide Seiten als Sieger.
Am Tag danach machte sich Ernüchterung breit. Denn das als wahlentscheidend angekündigte TV-Duell hat dem Wähler keine echte Erleuchtung gebracht.
Gut, Kanzlerin Angela Merkel hat sich erstmals klar gegen eine Pkw-Maut ausgesprochen und damit im CSU-Land einen Sturm der Entrüstung ausgelöst — der sich aber nach der Bayern-Wahl gleich wieder legen dürfte. Und Peer Steinbrück?
Der SPD-Herausforderer konzentrierte sich auf soziale Kernkompetenzen und machte damit vor allem die eigene Basis glücklich. Die hegte immerhin lange genug Zweifel daran, ob sich ihr Kandidat überhaupt in der Tradition eines August Bebel sieht.
Während die Zuschauer in 90 langen Minuten erfahren durften, dass Politik in Deutschland ein bierernstes Geschäft und Humor oder Unterhaltung sich per se nur in Spurenelementen finden lassen, begann in den Parteizentralen der Kampf um die Deutungshoheit. Natürlich fühlten sich CDU wie SPD als Sieger.
Zu dieser Erkenntnis brauchte es kein TV-Duell. Viel wesentlicher sind zwei weitere Erkenntnisse des Abends. Punkt eins: Das Rennen ist völlig offen. Punkt zwei: Zwischen CDU und SPD tun sich keine unüberbrückbaren Gräben auf.
Da ist sie also wieder, die Diskussion um eine große Koalition. Sie kommt nicht nur Liberalen und Grünen zur Unzeit, bei denen zurecht die Sorge wächst, dass sie bereits aus dem Rennen sind. Viel gefährlicher sind die Farbenspiele für den SPD-Kanzlerkandidaten, der das Trauma der großen Koalition von 2005 bis 2009 längst nicht überwunden hat.
Obwohl Steinbrück als Finanzminister in der Finanzkrise einen guten Job gemacht hat, obwohl Schwarz-Rot mit der Stabilisierung der Banken, der Abwrackprämie und der Schuldenbremse einiges in Bewegung gesetzt hat — er weiß, dass als Juniorpartner nichts zu holen ist.
Verständlich also, dass er von Schwarz-Rot nichts wissen will. Anders als Merkel leistet sich Steinbrück aber nicht einmal den Luxus, darüber zu fabulieren. Glaubt er insgeheim nicht mehr an den SPD-Sieg?
Oder ist es nicht vielmehr so, dass der 66-Jährige ahnt, mit seiner Ausschließeritis sein eigenes Schicksal besiegelt zu haben: die Rente mit 67. Vielleicht tröstet es ihn, dass er sie mit eingeführt hat.