Meinung Demokratie im Stresstest
In Deutschland hat man gerade wieder erkannt, dass die Demokratie kein Ruhekissen ist, sondern gepflegt werden will. In einigen anderen Staaten wird die Demokratie gerade kräftig durchgeschüttelt, so dass nur noch ihre leere (Kissen-)Hülle übrig zu bleiben droht.
Zum Beispiel Polen: Dort peitscht die rechtsnationalistische PiS mit ihrer satten Parlamentsmehrheit eine Justizreform durch, die schlichtweg die Gewaltenteilung aufhebt, indem die politische Mehrheit die Richter des Obersten Gerichtes bestimmt. Das Verfassungsgericht, das hier noch eingreifen könnte, ist bereits seit 2015/16 gleichgeschaltet. Verkauft wird der Staatsstreich obendrein als Wiederherstellung des Volkswillens.
Die Opposition schimpft zurück und stimmt dagegen. Mangels Mehrheit ohne Erfolg. Und was ist mit dem Volk, was machen die Nachkommen Lech Walesas? Sie gehen nur zögerlich auf die Straße. Hier rächt sich, dass der beeindruckende wirtschaftliche Aufschwung Polens in der nachkommunistischen Ära viele nicht mitgenommen hat. In Polen wuchs — wie andernorts — der (populäre) Hass auf die Eliten aus Politik, Medien, Richtern. Für die man nun nicht kämpfen will.
Was freilich ziemlich kurzsichtig ist, da es nicht nur um deren Jobs geht, sondern auch um deren Unabhängigkeit. Die wiederum die Menschen im Lande vor Staatswillkür schützt und ihnen Rechts-, sowie wirtschaftliche Sicherheit gibt. Weil auch Investoren stabile Verhältnisse brauchen — eine Lektion, die die Menschen in der Türkei gerade schmerzhaft lernen.
Bleibt noch die EU, die vor allem Rechts- und Wertegemeinschaft ist. Der Kommissionspräsident will prüfen, ob die Justizreform gegen den EU-Vertrag verstößt und droht, das Stimmrecht Polens auszusetzen. Ansonsten fordert er zum Gespräch auf. Vielleicht darüber, dass man mit der Demokratie pfleglich umgehen sollte.