Meinung Der Musterschüler Portugal

Radikalkuren tun immer weh. Erst Recht, wenn es an den Geldbeutel geht. Im hochverschuldeten Euro-Krisenland Portugal gingen Löhne und Renten runter, die Steuern hoch, die staatlichen Leistungen wurden mit der Axt gestutzt.

Ein Kommentar von Ralph Schulze

Foto: Kai-Uwe Heinrich TSP

Die Portugiesen haben diese Ochsentour auf bewundernswerte Weise ertragen. Zwar murrend und mit Massenprotesten. Aber ohne die Nation, die gestern eine neue Regierung wählte, ins politische Chaos abgleiten zu lassen — wie etwa in Griechenland.

Der harte Verzicht hat sich für Portugal gelohnt: Das Land konnte vor einem Jahr den Euro-Rettungsschirm verlassen und die Portugiesen können hoffen, dass ihre schwierige soziale Lage langsam besser wird: Die Wirtschaft wächst wieder, die Arbeitslosigkeit sinkt, der Schuldenberg wird kleiner, die ausländischen Investoren kommen zurück. Und Brüssel lobt die Portugiesen als Europas Musterschüler. Das Problem ist freilich, dass der Aufschwung bei den meisten Familien noch nicht ankommt. Bei durchschnittlichen Monatslöhnen von 650 Euro netto, die jungen Portugiesen verdienen oft sogar nur 500 Euro, kommen die meisten Menschen nicht über die Runden. Ein Heer gut ausgebildeter junger Leute wandert mangels Einkommen in die nördlichen Länder aus, wo qualifizierte Arbeitskräfte gesucht und besser bezahlt werden. Ein Drama für diese Nation, die die niedrigste Geburtenquote Europas hat — das Land blutet aus.

Diese Tendenz umzudrehen und der jungen Bevölkerung Perspektiven zu bieten, ist eine der Herausforderungen für die neue Regierung Portugals. Eine Regierung, die den Reform- und Sparkurs zweifellos fortführen muss, damit der Karren weiter aus dem Krisensumpf gezogen werden kann.