Meinung Die uneindeutige Kirche
Meinung · Die schlichteste Erklärung für Kirche lautet: Wer glaubt, ist drin; wer nicht glaubt, ist draußen. Die jüngste Studie aus München macht nicht zum ersten Mal deutlich, dass diese Rechnung kaum noch aufgeht.
Allein die Glaubenswirklichkeit innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland reicht von treuen Anhängern der Lehrmeinung bis den religiösen Freigeistern, deren Glaubensvorstellungen höchstens noch partiell an kirchliche Traditionen andocken. Im weltkirchlichen Maßstab würde die Spannbreite noch abenteuerlicher ausfallen. Und dabei ist der Glaube nur einer von vielen Gründen, warum sich Menschen weiter an die Kirche binden.
Daher ist auch eine andere simple Erklärung nicht haltbar: dass sich allein am Kirchenbesuch die Haltung der Mitglieder zu ihrer Kirche ablesen lasse. Wer sonntags nicht in der Messe auftaucht, muss keine Karteileiche sein. Je differenzierter gefragt wird, umso differenzierter wird deutlich, was Menschen an ihrer Kirche festhalten lässt.
Aber das Gebäude ist fragil – und angesichts der Konsequenzen aus den Missbrauchsskandalen vielleicht fragiler denn je. So vielfältig die Bindungskräfte der Kirche auch sein mögen, gerade jüngere Menschen sind konsequenter zu einem Abwägungsprozess bereit: vielleicht weniger zwischen Kosten und Nutzen als zwischen Glaubwürdigkeit und Unglaubwürdigkeit.
Kirche ist nie eindeutig, sondern zerfällt täglich in die Eigenarten ihrer Glieder vor Ort. Darum kann ein sozial engagierter Pfarrer womöglich das Entsetzen über priesterlichen Amtsmissbrauch kompensieren und ein fröhliches Gemeindeleben weltfremden Klerikalismus auffangen. Aber die Schmerzgrenzen der Toleranz sinken – überall.
Den Bemühungen der katholischen Kirche, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, wird es womöglich immer wieder an Erfolg mangeln. Schlimmer wäre ein Mangel an Aufrichtigkeit.