Meinung Diesel-Nachrüstung - Schnecken sind flotter

Meinung · Die Politik hat uns saubere Luft versprochen, sich aber einen Dreck um die dafür notwendigen Bedingungen geschert.

Die Schadstoff-Belastung in vielen Innenstädten höher ist erlaubt.

Foto: dpa/Marijan Murat

Seit September 2015, also seit mehr als drei Jahren, wissen wir, dass es einen Diesel-Skandal gibt. Wir wissen, dass VW und andere Hersteller getrickst und manipuliert haben. Und wir haben begriffen, dass die im Labor gemessenen Stickoxid-Werte beim Fahren auf der Straße um ein Vielfaches übertroffen werden.

Hierbei handelt es sich in den meisten Fällen aber nicht um Betrug, sondern um das Ausnutzen legaler Schlupflöcher. So darf ein Euro-5-Diesel pro Kilometer maximal 180 Milligramm Stickstoffdioxid ausstoßen, tatsächlich sind es aber im Schnitt 900 Milligramm. Angesichts solcher Zahlen wundert es nicht, dass die Schadstoff-Belastung in vielen Innenstädten höher ist erlaubt. Das sprichwörtliche Kind liegt seit Jahren im Brunnen. Die Politik hat uns saubere Luft versprochen, sich aber einen Dreck um die dafür notwendigen Bedingungen geschert.

Ein Kommentar von Rolf Eckers.

Foto: Sergej Lepke

Der September 2015 wäre ein guter Zeitpunkt gewesen, die Dinge vom Kopf wieder auf die Füße zu stellen. Und tatsächlich hat es ja etliche Diesel-Gipfel gegeben. Aber die Ergebnisse sind erbärmlich. Die Autoindustrie hat es binnen drei Jahren nicht einmal geschafft, allen manipulierten Motoren eine neue Software zu verpassen. Stattdessen wirbt die Branche intensiv für Umtauschprämien. Verkaufen geht vor reparieren. Nur wer sich einen Neuwagen oder einen jungen Gebrauchten leisten kann, profitiert von solchen Angeboten. Unbegreiflich ist es, dass die strenge Abgasnorm Euro-6d-temp bei diesen Umtauschaktionen von der Politik nicht zwingend vorgeschrieben wird. Deshalb kommen jetzt schmutzige Euro-6c-Diesel erstmals auf die Straße, die ein Teil des Problems, aber nicht ein Teil der Lösung sind.

Millionen Dieselfahrer schert das alles wenig. Sie haben Angst vor Fahrverboten, müssen mit dem Wertverlust ihrer Autos leben. Was sie mit Recht von der Politik als Lösung erwarten: eine kostenlose Hardware-Nachrüstung, so schnell und einfach wie möglich. Aber wir lernen: Schnecken sind flotter. Vor 2020 wird das nichts, mehr als vier Jahre nach Beginn des Skandals. Bis dahin dürften viele Fahrverbote schon in Kraft sein, unter anderem in Köln und Essen. Ein Desaster.

Dass BMW Nachrüstungen komplett ablehnt und VW offensiv davon abrät, ist ein Schlag ins Gesicht aller Dieselfahrer. Mehr Kundenfeindlichkeit geht kaum. Statt mit jenen Firmen, die Nachrüstungen anbieten, zu kooperieren, reden die Konzerne den ganzen Weg schlecht. Die Autos könnten mehr verbrauchen, Leistung verlieren, lauter werden. Wenn dem so sein sollte, könnten Ingenieure der Autobauer Abhilfe schaffen. So ließe sich Vertrauen zurückgewinnen. Daimler macht es vor und bietet Hilfe an. Es geht doch.