Meinung Ein Plädoyer für die Jugend
Sorglos durch die Welt surfen, sich in der Bequemlichkeit des westlichen Lebensstandards einrichten, für nichts mehr selbst aufstehen und kämpfen — das wäre genau der falsche Schluss, den man aus der Sinus-Jugendstudie mit Blick auf das Lebensverhalten deutscher Teenager ziehen kann.
Zu einfach ist es ja ohnehin immer gedacht, wenn das Alter auf die Jugend zeigt und leicht verächtlich beschreibt, was für eine verloren geistlose und faule Generation ihnen da nachkommt. Immer mit der Belehrung: „Wir waren früher aber mal ganz anders.“
Waren sie auch. Einige. Aber nicht zwingend besser. Und: Viele waren überhaupt nicht anders. Denn DEN Teenager gibt es nicht, jede Studie verallgemeinert auch und verschleiert individuelle Ausprägungen, die es damals gab und heute gibt. Dass dennoch Tendenzen einer angepassten Jugend sichtbar werden, verwundert nicht. Der jüngeren Generation mögen in der völlig veränderten und globalisierten Welt sehr viel mehr Möglichkeiten geboten sein, genauso sehr ist aber diese globalisierte Welt auch Fluch — und Katalysator einer Entwicklung, die Ausscheren als Aufhalten und Aufhalten als Rückstand identifiziert. Soll heißen: Wer nicht mitzieht, fliegt. Wer nicht hinterherkommt, wird abgehängt.
Wer heute nicht nach zwölf Jahren das Abi hat, hat ein Problem. Wer nicht strebsam durch das Studium rauscht, wird auf dem Arbeitsmarkt hinterfragt. Und wer nicht teilnimmt an einem Leben aus Leistung und — ja — Unterhaltung, der wird schief angeguckt. Wie bist Du denn drauf?
Um es kurz zu sagen: Die Teenager von heute sind derart vielen Einflüssen, Vergleichen und Konkurrenzen ausgesetzt, dass ihre vermeintliche Angepasstheit auf vielerlei Gebiet pures Schutzverhalten ist. Da ist viel nicht geäußerte Bedürftigkeit im Spiel, die man ernst nehmen und nicht verfluchen sollte. Man muss nicht darbend nach dem Krieg groß geworden sein, um ein Leben als nicht leicht empfinden zu dürfen.