EM: Die deutsche Sehnsucht nach dem Titel
Euro 2012 als große Chance für Polen und die Ukraine
Am Freitag beginnt die Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine. Die Rufe nach Boykott sind leiser geworden. Ungeachtet der Tatsache, dass der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch die Reste von Demokratie und Rechtsstaat in seinem Land beseitigt und Dutzende Oppositionelle, eben nicht nur Julia Timoschenko, eingesperrt hat, verbindet nicht nur die Ukraine, sondern auch Polen mit diesem Turnier große Hoffnung. Hoffnung auf ein Fest des Sports, das die große Gastfreundschaft der osteuropäischen Länder ebenso zeigt wie die mutigen Schritte Polens in Richtung Europa und den beschwerlichen Weg der Ukraine aus der Diktatur in die Demokratie.
Gerade für den skrupellosen Oligarchen Janukowitsch könnte sich die Euro 2012 möglicherweise als etwas erweisen, das er für seinen Machterhalt am wenigsten braucht. Wie bei Olympia 2008 in China wird sich die Weltöffentlichkeit in einem bisher nicht gekannten Ausmaß für die Ukraine interessieren. Und vielleicht die Chance eröffnen, die Hoffnungslosigkeit der Menschen zu drehen, im Idealfall den Reformern den Weg zu weisen. Denjenigen, die sich aufgemacht haben in Richtung Europäische Union. Ohne die Europameisterschaft und die Kraft des Fußballs, so viel ist sicher, wäre es für die Ukraine noch schwerer. Die Euro ist eine Chance, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Abseits aller politischen Probleme lebt in Deutschland vor allem die große Sehnsucht nach dem Titel. Nach 1972, 1980 und 1996 sollen Joachim Löw und die deutsche Nationalmannschaft den Traum wahr machen und in Kiew am 1. Juli den Siegerpokal in den Händen halten. Es gilt zwar wie stets im Fußball, dass dieser Weg kein leichter sein wird, aber es besteht kein Grund zu Pessimismus. Bei aller Akzeptanz der sportlichen Klasse der Konkurrenz ist diese deutsche Mannschaft prädestiniert, eine große Rolle zu spielen. 62 Prozent der Deutschen trauen Löw und den Seinen den Titel zu. Es werden aufregende und spannende Wochen werden. Die Menschen werden einmal mehr sehen, was den Sport bedeutend macht. Selbst wenn er die wichtigste Nebensache der Welt bleibt, hat er doch die Kraft, die Emotionen entfaltet, Menschen bewegt und für die Ukraine vielleicht ein politisches Wunder bewirken kann.