Meinung Flüchtlingsheim: Gegen den Sturm der Stammtischmeinungen
Als Reporterin merkt man, dass etwas ganz falsch läuft, wenn man an einer brennenden Flüchtlingsunterkunft steht, die wohl von Flüchtlingen selbst angezündet wurde, und nicht mehr nur Angst um die Menschen hat — sondern auch vor Pauschalisierungen, Stammtischmeinungen und sogar ganz offen rechter Hetze, für die jeder noch so differenziert geschriebene Satz benutzt werden wird.
Das größte Problem dabei ist, dass so viele Menschen sich nicht mehr wirklich informieren, sondern ihre Weltsicht aus den Häppchen zusammenfrickeln, die ihnen in sozialen Netzwerken hingeworfen werden. Und offenbar gilt dabei die Gleichung: Je weniger fundiert die Kenntnis, desto extremer die Meinung. Eine gefährliche Entwicklung.
Und so weiß die Reporterin, dass Zahlen — 89 Einsätze in einer Flüchtlingsunterkunft in nicht einmal einem halben Jahr — als Netz-Häppchen im Zusammenhang mit dem Feuer für viele Menschen nur einen simplen Schluss zulassen: Die Flüchtlinge sind undankbar, müssen vielleicht besser weg. Wer sich für sie engagiert, wird am Ende noch bei einem Brand draufgehen.
Aber diese Parolen lassen so vieles außer Acht. Etwa, dass nicht „die Flüchtlinge“ ihr Heim angezündet haben, sondern zwei von 282. Dass sich nicht „die Flüchtlinge“ dort streiten und sogar prügeln. Sondern Menschen verschiedener Ethnien und Religionen, die sich in ihren Heimatländern bis aufs Blut bekriegen — und nun plötzlich durch eine Messestellwand getrennt sind und denselben Toilettencontainer benutzen.
Und das ist der wichtigste Punkt, den alle „Die Flüchtlinge“-Stammtischmeinungen ausblenden: In erster Linie ist das nicht einmal ein Flüchtlingsunterkunftsproblem. Sondern das Problem, dass fast 300 Menschen in einer Halle zusammengesperrt sind, in der man Gerüche und Geräusche von fast 300 Menschen ertragen muss. In den festen Wohnanlagen in Düsseldorf und an anderen Orten, wo ebenfalls alle Ethnien und Religionen zusammengewürfelt werden, gibt es kaum Konflikte. Weil man dort eine Tür zumachen kann.
Dies ist kein Plädoyer für Verständnis, was die Brandstifter angeht. Beileibe nicht. Das sind Verbrecher. Und wohl wirklich undankbar. Dies ist vielmehr der Versuch, klarzustellen, dass die vielen anderen, die diese Unterbringung friedlich ertragen, offenbar sogar sehr dankbar sind. Sie verdienen weiterhin Engagement und Respekt. Und Differenzierung.