Meinung Gerüchte sind das Gift in den Adern der Gesellschaft
Gerüchte sind neben der Korruption das schlimmste Gift in den Adern einer Gesellschaft. Sie können sie zersetzen. Von Mund zu Mund geht die falsche Nachricht, erregt und erzeugt Wut. In den modernen Zeiten wird sie im Netz mit der „Teilen“-Funktion in einer Sekunde hundertfach an Gleichgesinnte verbreitet.
So bestärkt man sich gegenseitig, so wachsen Verschwörungstheorien. Eine in Berlin von einem einzigen Menschen auf Facebook gestreute Falschinformation über einen angeblich gestorbenen Flüchtling reicht, um massenhaft Hass gegen die Behörden zu entfachen. Und die zweifelhaften, von der Polizei schnell dementierten Angaben eines pubertierenden Mädchens über eine angebliche Vergewaltigung durch Ausländer sorgen für eine Demo von Flüchtlingsgegnern vor dem Kanzleramt. Auch die haben es immer schon gewusst.
Es ist erstaunlich, dass Menschen, die sich staatskritisch wähnen, ausblenden, in welchem Umfang das Fälschen von Informationen im Internet nicht nur von Einzelpersonen und Gruppen betrieben wird, sondern längst auch ganz professionell von Staaten. Aussteiger haben ausführlich über die so genannten „Trolle“, Personen mit Scheinidentitäten, berichtet, die Russland systematisch loslässt. Und dass China und andere totalitäre Länder das Netz manipulieren, ist seit langem bekannt. Trotzdem glauben viele alles, weil sie es glauben wollen.
Die Entwicklung ist brandgefährlich. Nicht nur wegen der Flüchtlinge, auf deren Rücken in den beiden genannten Fällen gespielt wurde. Sondern weil es nicht bei diesem Thema bleibt. Früher hatten die Menschen aus Fernsehen, Radio oder Zeitung einen ungefähr gleichen Faktenstand, bevor sie miteinander diskutierten. Jetzt diffundiert die Information. Jetzt wird nur noch gepöbelt und geschrien.
Es gibt kein Gegenmittel. Außer, dass die seriösen Medien noch sorgsamer arbeiten müssen, noch vorsichtiger. Manchmal muss man mit einer Veröffentlichung eben warten. Auch Polizei, Justiz, alle Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft, müssen so korrekt wie möglich kommunizieren. Es muss Informationsquellen geben, denen man verlässlich trauen kann, von denen man weiß, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen arbeiten. Wenn es keine gemeinsame Informationsbasis in einer Gesellschaft mehr gibt, gibt es auch keine Kompromisse mehr. Dann lebt man in den Gruppen im besten Fall feindselig nebeneinander her. Im schlechtesten schlägt man sich die Köpfe ein.