Griechenland: Wut und Perspektivlosigkeit
Die vertrackte Situation des hochverschuldeten Griechenland
Der Grieche lief und lief. Und brach am Ende doch tot zusammen. Das Schicksal, das den Boten Pheidippides 490 vor Christus ereilte, als er den Athenern die Nachricht vom Sieg über die Perser bei Marathon überbrachte — wiederholt es sich in diesen Tagen? Die heutigen Nachkommen des Pheidippides sollen eine Durststrecke durchstehen, gegen die der Marathonlauf eine Kleinigkeit ist. Die Stimmung ist ganz und gar nicht danach, dass die Griechen das noch lange mitmachen, was ihre Regierung ihnen da auf Geheiß der Troika zumutet.
Trotz früherer Geldspritzen ist das Land in der Rezession, die Arbeitslosigkeit steigt unaufhaltsam. Wer noch Arbeit hat, muss Lohneinbußen im zweistelligen Prozentbereich verkraften. Was die Kaufkraft weiter schmälert. Ein Teufelskreis. Renten werden gekürzt, eine neue Immobiliensteuer wird über die Stromrechnung eingetrieben — wer nicht zahlt, dem wird der Strom abgedreht.
Da prägen Wut und Perspektivlosigkeit die Stimmung. Denn keiner kann den Griechen sagen, ob und wann diese Opfer Früchte tragen, wann es einen Silberstreif am Horizont gibt. Denn auch die acht Milliarden, die die Troika vielleicht demnächst freigibt, wären nur eine Feuerlöschaktion — Mittel, um Renten und Gehälter im öffentlichen Dienst weiter zu zahlen und die hohen Zinsforderungen der Gläubiger zu bedienen. Die Wirtschaft in Schwung bringen können sie nicht.
Es scheint ganz so, als gebe es in dieser Krise nur schlechte und noch schlechtere Lösungen. Neue Staatsanleihen, für die alle Euro-Länder haften, könnten die griechische Zinslast zwar drücken. Durch solche Eurobonds würde aber der Steuerzahler in Deutschland und anderswo kräftig zur Kasse gebeten. Ein Schuldenschnitt oder gar das völlige Abschreiben der Forderungen hingegen würde dazu führen, dass den Griechen überhaupt niemand mehr Geld leihen würde. Was erst recht soziale Unruhen hervorrufen könnte. Hinzu käme: Das Vertrauen in die Bonität anderer Wackelkandidaten der Eurozone würde nach einem solchen Schnitt erschüttert.
Nicht nur die Entstehungsgeschichte des Marathonlaufs ist eine berühmte Erzählung. Die Antike kennt auch die Legende vom gordischen Knoten. Aber heute ist weit und breit niemand in Sicht, der ihn lösen könnte.