Meinung Große Chancen und große Fallhöhe für die FDP

Die FDP ist wieder da. In Zeiten, in denen die übermäßig diskutierte AfD im Bundestag 12,6 Prozent holt, muss man kein gelber Stammwähler sein, um diese Entwicklung im Hinblick auf die Farbenvielfalt des demokratischen Parteienspektrums erst mal zu begrüßen.

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Die Politik braucht eine liberale Kraft im Bundestag — ebenso wie eine linke, konservative, sozialdemokratische oder ökologische beim täglichen harten Ringen um den besten Weg in der Mitte.

Auch muss man Parteichef Christian Lindner zugestehen, dass er mit Hilfe einer professionell geführten Wahlkampagne einen Sieg davongetragen und der FDP zu alter Kraft verholfen hat, wenngleich sich das Wahlprogramm in vielen Punkten kaum von der Vorgänger-Variante 2013 unterscheidet. Lindner will nach eigenem Bekunden bei einem Jamaika-Szenario die „Lücke in der Mitte“ schließen — anders als der strauchelnde CSU-Chef Horst Seehofer, der sich zurzeit lieber auf die angeblich notwendige Schließung der „rechten Flanke“ kapriziert.

Komfortabel dürften die kommenden Wochen und Monate für die Liberalen dennoch nicht werden. Denn die Fallhöhe ist groß: Nachdem die FDP 2013 mit Krachen aus dem Bundestag geflogen und die folgenden vier Jahre lang weitgehend vom Radar der Öffentlichkeit verschwunden war, soll sie nun gleich Regierungsverantwortung übernehmen. Für viele der rund 80 Mandatsträger wird das ein Sprung ins kalte Wasser, denn sie haben noch keine Erfahrung in der parlamentarischen Arbeit auf Bundesebene. Allein zwölf von ihnen sind unter 35 Jahre alt.

Zum einen besteht für sie die Gefahr, zwischen den alten Polit-Hasen von Union und Grünen zerrieben zu werden. Als kleine Partei ist sich die FDP der Tatsache bewusst, dass sie niemals ihre reine Lehre durchsetzen kann — schon gar nicht in einer potenziellen Jamaika-Koalition, die für alle Beteiligten alles andere als ein Wunschkonzert werden wird. Zum anderen sollten die Liberalen jetzt nicht in alte Muster fallen und den Ruf einer Ego-shooter-Partei kultivieren.

So tat Lindner gut daran, Vorstandsmitglied Alexander Hahn zurückzupfeifen, als dieser bereits im Vorfeld der Wahl forderte, die FDP solle „in keine Regierung eintreten, in der sie nicht das Finanzministerium stellt“. Verständlich, dass die Liberalen sich nach ihrem glänzenden Comeback nicht unter Wert verkaufen wollen. Großmäuligkeit können sie sich jetzt aber nicht leisten.