Grüne zur SPD: Radikal und chaotisch sind jetzt andere
Noch bekennen sich die bürgerlich gewordenen Grünen zur SPD
Was waren das für Zeiten, als Grüne sogar zur Vereidigung als Minister in Turnschuhen kamen und während Debatten strickten? In den Anfangsjahren stimmte das Klischee der Ökos. Doch sie haben längst das Radikalsein den Linken und das Chaotentum den Piraten überlassen. Nicht nur dank eines Ministerpräsidenten in Stuttgart und der überraschend zur Spitzenkandidatin gekürten Katrin Göring-Eckardt scheint sich die Partei in Richtung Mitte zu bewegen. Doch spielt da die Basis mit? Und wäre in Berlin eine schwarz-grüne Koalition denkbar? Der Parteitag gibt Fingerzeige.
Bei den Personalentscheidungen schaut alles auf Claudia Roth, die für Flippigkeit und grünen Fundamentalismus steht. Sie ist nach ihrer Niederlage im Kampf um die Spitzenkandidatur derart angeschlagen, dass sich ihr Co-Parteichef Cem Özdemir am Freitag berufen fühlte, krampfhaft ein gutes Ergebnis beim Kampf um den Parteivorsitz zu beschwören. Viele Mitglieder hatten zuvor mit ihrem Candystorm im Internet — das Wort leitet sich von Süßigkeiten ab — versucht, die deprimierte Roth wieder aufzubauen. Trotzdem wird das Ergebnis womöglich nicht eindeutig zu interpretieren sein. Schneidet Roth schlecht ab, ist die Botschaft klar. Schafft sie ein tolles Resultat, kann man das als persönlichen Aufpäppel-Versuch sehen und deshalb nur bedingt eine Stärkung der Fundi-Politik ableiten.
Offiziell gab sich die Partei am Freitag allerdings weiterhin eher links und stellte vor allem ihr Ringen um soziale Gerechtigkeit in den Vordergrund. Solche Ziele funktionieren besser gemeinsam mit den Sozialdemokraten als mit der CDU. Insofern sind die Bekenntnisse, Rot-Grün solle 2013 die Regierung ablösen, logisch und ernst gemeint. Zu einem solchen Wahlsieg kann es allerdings nur kommen, wenn die grüne Partei ihren Kurs der vergangenen Monate fortsetzt und auch in bürgerlichen Kreisen Stimmen sammelt. Gleichzeitig darf sie ihre Stammwähler weiter links nicht verschrecken. Solch eine Strategie ist riskant.
Wenn die rot-grünen Träume platzen, muss das allerdings nicht zwingend an der Öko-Partei liegen. Auch die sinkende Popularitätskurve von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück gilt als großes Risiko. Wenn das so weiter geht, kann Schwarz-Grün schneller als gedacht eine Option sein.