Meinung Gutscheine für Verbraucher: Das kann gerecht sein

Meinung · Zwangskredite von Verbrauchern für milliardenschwere Unternehmen? Das klingt reichlich unfair. Das muss es allerdings nicht zwingend sein – wenn der Staat Sicherheit schafft.

Airlines etwa sollen die Möglichkeit erhalten, Kunden Gutscheine auszustellen statt Tickets zu erstatten.

Foto: dpa/Boris Roessler

Die Kleinen sollen die Großen retten. Eine bittere Realität aus der Finanzkrise scheint sich in der Coronakrise zu wiederholen. Geprellte Geldanleger versuchten nach 2008 vergeblich, das bei der Bank ihres Vertrauens in wertlose Papiere investierte Kapital zurückzubekommen. Jetzt soll der Verbraucher sogar selbst in die Rolle eines Bankers schlüpfen. Und großen Reiseunternehmern, Airlines, Kultur- und Sportveranstaltern Kredit geben. Denn nichts anderes würde es bedeuten, wenn der Plan der Bundesregierung Wirklichkeit wird: Geld, das der Kunde für eine in Corona-Zeiten gebuchte Reise oder ein Veranstaltungsticket gezahlt hat, soll nicht erstattet, sondern in einen Gutschein umgewandelt werden.

Der Verbraucher als Zwangskreditgeber auch milliardenschwerer Unternehmen. Das klingt wie die alte Geschichte: Die Kleinen baden es aus. Doch abgesehen davon, dass der Staat den Kleinen (und den Großen) derzeit mit Abermilliarden  Euro unter die Arme greift, lässt sich die Geschichte auch aus anderer Perspektive erzählen. Denn was passiert, wenn man all die Veranstalter jetzt im Regen stehen lässt, die durch die Organisation ihres Geschäfts gegenüber den eigenen Vertragspartnern doch ebenfalls in Vorleistung getreten sind? Es kommt kein Geld mehr rein, die Kosten laufen weiter. Da ist es eine Frage der Zeit, bis sie unter der Last zusammenbrechen.

Wäre da nicht von Seiten der Verbraucher ein Stück Solidarität gefragt? Schließlich können doch auch die Veranstalter nichts dafür, dass das Virus die Wirtschaftswelt still stehen lässt. Ist es denn so schlimm, das Geld, für das man im Augenblick keine Gegenleistung bekommt, stehen zu lassen und den Gutschein dann später einzulösen? Eine Praxis, die manch einer längst freiwillig gegenüber kleinen Kulturveranstaltern übt, um diese am Leben zu halten. Niemandem wäre doch damit gedient, wenn all die Anbieter, deren Service wir in guten Zeiten gern in Anspruch nehmen, unter der Last zusammenbrechen. Wenn jeder ein bisschen mithilft, lässt sich das vielleicht vermeiden.

Dieses „vielleicht“ ist freilich der Haken an der Sache. Niemand kann sagen, ob der Vertragspartner, dem man da sein Geld leiht, in ein paar Wochen auch so unter der Last seiner Schulden in die Knie geht. Dann wäre der Zwangskredit des Verbrauchers verlorenes Geld. Daraus kann nur folgen: Der Staat sollte im Falle einer dennoch eintretenden Pleite des Veranstalters die Verbraucher schadlos halten. Oder deren Forderungen im Insolvenzfall den Vorrang geben. Und es muss Härtefallregelungen geben. Wer sich wegen eigener finanzieller Schieflage einen solchen Zwangskredit nicht leisten kann, sollte direkt sein Geld zurückbekommen. Unter diesen Bedingungen wäre die zwangsweise verordnete Solidaritätsaktion vernünftig.