Meinung Kraft moderiert mit Maß, voran geht sie nicht

Mit Regierenden ist es eine Krux: Gehen sie voran, entscheiden sie mit schneller Hand und übergehen in schöner Regelmäßigkeit die Meinungen Andersdenkender, wird man ihnen immer Tatkraft unterstellen, aber auch eine „Basta-Politik“ vorwerfen, die wenige mitnimmt und Klientelpolitik befördert.

Foto: Sergej Lepke

Ist es andersherum und der oder die Regierende pflegt eine Politik der ruhigen Hand, einen kooperativen Stil und hört sich erst alle Positionen an, bevor man zu Entscheidungen oder Haltungen kommt, fühlt der Bürger sich durchaus mitgenommen, zetert dann aber über fehlende Entscheidungsdynamik oder die Unfähigkeit, schnelle und harte Entscheidungen zu treffen oder Positionen einzunehmen.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gehört eher zur zweiten Sorte. Sie verfolgt einen kooperativen Stil, überlässt ihren Ministerinnen und Ministern viel Entscheidungsfreiheit, moderiert die Regierung und ihre Geschäfte, setzt Schwerpunkte bei Bürgernähe und sozialen Themen und punktet als Kümmerin, die nach außen fast immer Ruhe und Contenance behält. Vor allem auf letzteres achten sie und ihr Apparat in diesen aufgeregten Zeiten, in denen hier und dort Minen gelegt werden, sehr genau.

Es wird die spannende Frage des kommenden Jahres sein, in der im Land und im Bund gewählt wird, ob die Bürgerinnen und Bürger in Zeiten, in denen immer mehr Wähler Rechtspopulisten und Wahrheitsverdrehern hinterherlaufen, jenen Typ Politiker der Art Kraft noch vorangehen sehen wollen.

Im Wesen ist Hannelore Kraft Bundeskanzlerin Angela Merkel ähnlich. Beide könnten 2017 ganz ähnliche Probleme bekommen: Dass ihnen eben nicht mehr zugetraut wird, mit ihrer Politik der ruhigen Hand, der Runden Tische und externen Experten jenen kraftvoll zu begegnen, die vorgaukeln, Triebfedern der neuen Zeit und Bewahrer einer konservativen Ordnung zu sein, die es doch längst nicht mehr geben kann.

Ob Kraft und Merkel erneut das Vertrauen der Menschen erhalten werden, hängt auch davon ab, wie sehr sie deutlich machen und kommunizieren können, dass langfristige Lösungen im Konsens für eine Gesellschaft immer besser sind als kurzfristig bejubelte Parolen. oder politische Alleingänge. Viele — auch in diesem Land — wünschen sich mehr Macherqualitäten, mehr Vorangehen, mehr Impulsfähigkeit. Vielleicht eben auch: mehr Kraft.