NRW Flüchtlingspolitik: Von Seehofers Welt hält Kraft nichts

NRW-Ministerpräsidentin zeigt beim Thema Flüchtlinge klare Kante. In der Landespolitik vermeidet sie dagegen frühe Festlegungen.

Auf dem Display eines Mobiltelefons spricht Ministerpräsidentin Hannelore Kraft auf der Pressekonferenz im Landtag, neben ihr Tobias Blasius, Vorsitzender der Landespressekonferenz.

Foto: Wolfram Kastl

Düsseldorf. Als die Rede auf Horst Seehofer und dessen CSU zu sprechen kommt, verzieht Hannelore Kraft (SPD) das Gesicht. Man sieht es ihr körperlich an, wie wenig die NRW-Landeschefin für die vermeintlich populistischen Töne aus Bayern übrig hat. Burka-Verbote, Obergrenzen für Flüchtlinge, Vorrang für Zuwanderer aus dem christlich-abendländischen Kulturkreis? Das ist nicht ihre Welt, das hat Kraft innerlich lange hinter sich gelassen, und das sagt sie auch deutlich: „Was ich davon halte? Nichts“, befand Kraft am Freitag auf der Landespressekonferenz in Düsseldorf vor Journalisten. „Das sind alles alte Forderungen, die schon mal auf dem Tisch lagen und die aus gutem Grund nicht mehr auf dem Tisch liegen.“

Die Debatte um eine Obergrenze nutze der rechtspopulistischen AfD, kritisierte Kraft. Muslime hätten ebenso wie Christen das Recht, als Flüchtlinge aufgenommen zu werden. Und: Die doppelte Staatsbürgerschaft abzuschaffen, wie es die CSU proklamiere, sei das „Gegenteil von Integration“ und würde viele Menschen mit Migrationshintergrund isolieren. Sie, Kraft, „persönlich möchte keine Burka und auch keinen Nikab“, aber — und da hält es die Ministerpräsidentin mit ihrem Innenminister Jäger: „Man kann nicht alles verbieten, was man nicht für richtig hält.“

So geht Kraft rund neun Monate vor der nächsten Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen durch die Themen: Klare Haltungen am liebsten dort, wo die Dinge der sozialdemokratischen Sache ganz offensichtlich entgegen laufen. Wie bei der Dienstrechtsreform, mit der man dafür sorgen will, dass Frauen bei der Stellenvergabe bessere Chancen haben. Vor Gericht ist sie zunächst gescheitert, Kraft kündigte am Freitag an, das von der nächsten Instanz überprüfen zu lassen.

Dagegen ist sie stets abwartend dort, wo die Dinge ihrer Meinung nach noch im Fluss sind. Nichts hasst sie mehr als einfache Antworten auf komplizierte Fragen, Schwarz- Weiß-Aussagen sind ihr zuwider.

Wie etwa in der Frage der Zusammenarbeit mit dem umstrittenen deutsch-türkischen Dachverband Ditib zu spüren ist, der Kritikern zufolge in enger Abhängigkeit zum türkischen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan stehe und deshalb kein Kooperationspartner mehr für das Land sein dürfe.

Kraft erklärt, dass Ditib und drei weitere muslimische Verbände derzeit auf ihre Staatsferne hin überprüft würden — und sich bis zu einem Ergebnis dieses Status-Prozesses an ihrer Haltung nichts ändere. Was auch heißt: Im muslimischen Religionsunterricht werde man weiter zusammenarbeiten.

„Wir wollen die Fortsetzung des für uns wichtigen Dialogs mit den islamischen Verbänden“, sagte Kraft und bekräftigte: Jede Religionsgemeinschaft habe ein Recht auf diesen Anerkennungsprozess. Man müsse sich rechtsstaatlich auf sicherem Boden bewegen.“ Und: Da die vertraglich festgehaltene Zusammenarbeit zwischen Land und Ditib bis 2019 laufe, sei man auch zeitlich nicht unter Druck und stehe zudem in „engem Schulterschluss“ zu allen Landtagsfraktionen.

So geht es weiter. Thema Olympia in NRW im Jahr 2028? Abwarten. Das „System Olympia“ müsse erst für reformierte Spiele bereit sein, jetzt müsse man abwarten, wohin 2017 die Spiele für 2024 vergeben werden. Hintergrund: Nur wenn Los Angeles als nichteuropäische Stadt die Spiele 2024 bekäme, hätte 2028 ein europäischer Gastgeber überhaupt eine Chance. Also: Zeit bis 2017.

Thema Kapazitätserweiterung des Flughafens in Düsseldorf? Nein, dazu werde sie sich nicht äußern, es laufe ein Genehmigungsverfahren. „Und wenn ich mich dazu äußere, würde ich auf das Verfahren Einfluss nehmen“, sagt Kraft.

Auch beim Thema Schule und G8 oder G9 wartet die Landeschefin ab, moderiert in ruhiger, aber bestimmter Art. Lieber allen einmal zuviel zuhören, als eine einsame Entscheidung zu treffen, hinter der am Ende zu wenige stehen.