CDU und CSU im Streit Seehofer und Merkel: Weiterer Tiefpunkt in ihrer Beziehung

Das Verhältnis von Seehofer und Merkel ist zerrüttet - am Sonntag treffen sich beide mit Gabriel.

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Berlin. Soll sie kommen oder nicht? Will sie überhaupt? Angela Merkel wird die Art und Weise, wie sie im letzten November auf dem CSU-Parteitag von CSU-Chef Horst Seehofer gedemütigt worden ist, nicht vergessen haben. Wie ein Schulmädchen stand sie damals auf der Bühne und musste sich minutenlang in der Flüchtlingsfrage belehren lassen. Das wird ihr nicht noch einmal passieren. Horst Seehofer aber vielleicht auch nicht.

Noch ist unklar, ob Merkel den nächsten Parteitag der Christsozialen in zwei Monaten überhaupt besuchen wird. Und noch ist unklar, ob Seehofer dann Anfang Dezember zum Parteitag der CDU eingeladen wird. Bleiben beide jeweils fern, wäre das das Ende einer Tradition, denn der Besuch bei der Schwesterpartei gehört zum Pflichtprogramm jedes Vorsitzenden von CDU und CSU. Eine "unglaubliche Gespensterdiskussion", wies der Bajuware am Freitag Berichte zurück, er habe Merkel bei einem Telefonat Ende August ausgeladen. Die Behandlung der Parteitage müssten er und die Bundeskanzlerin noch besprechen. Doch vorstellbar ist derzeit alles - auch dieser Tiefpunkt einer Beziehung.

Das Verhältnis beider ist zerrüttet. Die Kanzlerin spurt in der Flüchtlingsfrage nicht so, wie der CSU-Chef es will. Merkel weigert sich standhaft, ihre aus Sicht der CSU gemachten Fehler auch als solche zu benennen und ihren Kurs entsprechend zu korrigieren. "Wir schaffen das" kann Seehofer nicht mehr hören.

Merkel, so die Meinung der Bayern, habe für ihre Politik endgültig die Quittung in Mecklenburg-Vorpommern bekommen, wo die AfD bei den Landtagswahlen vor der CDU landete. "Die Wahrheit liegt in der Wahlurne, und die ist in den letzten Monaten bitter gewesen", sagte Seehofer am Freitag. Seine Dauer-Attacken wiederum haben Merkel erheblich zugesetzt; ein ums andere Mal hat er sie auch ganz persönlich scharf angegriffen.

Wann immer möglich, meidet sie deshalb den Kontakt. "Da ist zu viel Rechthaberei im Spiel", glaubt einer aus der Unionsführung. Es gab zwar mehrere Treffen in den letzten Monaten, auch telefonierte man miteinander. Aber nur, weil man es politisch dann doch musste. "Das hat sich verhakt über das Übliche hinaus", weiß ein weiterer Insider.

An diesem Sonntag gibt es erneut eine Begegnung im Kanzleramt. Am frühen Nachmittag wird dann auch SPD-Chef Sigmar Gabriel dazu kommen. Man hat Vertraulichkeit vereinbart. Bei dem Sechs-Augen-Gespräch soll es dem Vernehmen nach um die Rentenangleichung Ost/West gehen, um das Entgeltgleichheitsgesetz und die Erbschaftsteuer. Offiziell also um strittige Koalitionspunkte. Man muss aber kein Prophet sein, um zu ahnen, dass auch die Flüchtlingskrise eine Rolle spielen wird. Denn der neue Forderungskatalog der CSU liegt auf dem Tisch. Kernpunkt ist wieder: Die Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr.

Diese Forderung, so Seehofer, habe ja sogar SPD-Chef Gabriel inzwischen übernommen. Der hatte freilich nur von einer "Obergrenze der Integrationsfähigkeit" gesprochen. Darüber hinaus könne es niemanden in der Union ruhig lassen, wenn die CDU in Baden-Württemberg hinter den Grünen liege und in Mecklenburg-Vorpommern hinter der AfD, ergänzte Seehofer. Inzwischen verliere man sogar sichergeglaubte Stimmkreise. "Das war vor einem Jahr schwer vorstellbar."

Darüber will der CSU-Chef jetzt reden. "Was den Politikstil angeht, was die Politikinhalte und was ihre Vermittlung angeht", grollte er in Richtung Berlin. Also mit Angela Merkel. Keine guten Aussichten für die Kanzlerin.