Meinung Kramp-Karrenbauer büßt für Merkels Fehler
Meinung | Berlin · Die Kanzlerin hat den Abschied zur richtigen Zeit verpasst. Ihre Nachfolgerin an der Parteispitze hatte so keine Chance, die internen Abnutzungskämpfe zu überstehen. Niemand hätte das gehabt.
Den Ur-Fehler, der die gestrigen Ereignisse in der CDU erklärt, hat Angela Merkel Ende 2016 gemacht. Damals entschied sie, noch einmal als Kanzlerkandidatin anzutreten. Nach drei Amtsperioden, und obwohl sie den Zenit ihrer Macht deutlich überschritten hatte. Doch das Kanzleramt eignet sich nicht für eine vorgezogene Altersteilzeit. Die Folge: Machtkämpfe und Führungschaos.
Annegret Kramp-Karrenbauer ist das Opfer dieses Fehlers geworden. Die CDU verliert mit ihr eine gradlinige Politikerin, die Kanzlerin hätte werden können, aber zur falschen Zeit auf dem falschen Posten war. Statt die Macht sofort zu übergeben, setzte Angela Merkel 2018 auf einen langen Übergangsprozess mit der Trennung von Parteivorsitz und Kanzleramt für komplette zwei Jahre. Wie konnte sie nur annehmen, ihre Wunsch-Nachfolgerin könnte eine so lange Phase voller innerparteilicher Anfeindungen überleben, ohne Kanzlerin zu sein, wenigstens Kanzlerkandidatin?
Wie konnte sie nur denken, die CDU könnte die verunsicherten Wähler so lange bei der Stange halten? Zumal Angela Merkel ja selbst viele Stammwähler vergrault und ihre Partei in eine scharfe inhaltliche Auseinandersetzung geführt hatte: Konservative gegen Soziale. Marktliberale gegen Schwarz-Grüne. Im Fall Thüringen: AfD-Verharmloser gegen Linken-Versteher.
Jetzt werden bei der Saarländerin die Fehler gesucht, und natürlich hat auch sie welche gemacht. Aber die sind vergleichsweise unbedeutend. AKK wurde in Wahrheit von ihren innerparteilichen Gegnern systematisch sturmreif geschossen. Und von Merkel diesem Feuer zu lange ausgesetzt. Auch ein Vorsitzender Friedrich Merz hätte das nicht besser durchgehalten. Im Gegenteil, er wäre wahrscheinlich noch viel schneller gescheitert, sei es an irgendwelchen Geschichten aus seiner Wirtschaftstätigkeit oder an seiner mangelnden Attraktivität für Wähler aus ärmeren Schichten.
Und wäre es dem Parteiliberalen Armin Laschet angesichts der konservativen Widerstände in den eigenen Reihen anders ergangen als Kramp-Karrenbauer? Hätte Jens Spahn noch Charisma, wenn er eine Wahlniederlage nach der anderen hätte kommentieren müssen, statt seine Arbeit in der Gesundheitspolitik?
An der SPD hat man gesehen, wie der Niedergang der Volksparteien abläuft. Es ist eine Mischung aus dem Schwinden angestammter Milieus, dem Verlust von Konturen in Koalitionen, Führungsfehlern und hemmungslosen innerparteilichen Angriffen durch Neider und Abenteurer. Der CDU droht es nun ähnlich zu ergehen. In zwei Wochen, nach der Hamburg-Wahl, hätte AKK wahrscheinlich sowieso ihren Verzicht auf die Kanzlerkandidatur erklären müssen.
Denn nach den Thüringer Ereignissen ist in der Hansestadt für die CDU nichts mehr zu gewinnen. Dann wäre man(n) endgültig über die Amtsführung der Vorsitzenden hergefallen. Es ehrt die Saarländerin, dass sie trotzdem nicht auf Nahles macht und sich beleidigt zurückzieht, sondern noch den Übergang zur nächsten Führungsspitze organisieren will. Angela Merkel hat viele Verdienste. Dass sie sich in ihrer Endphase in ähnlicher Weise um ihre Partei gekümmert hätte, gehört nicht dazu.