Meinung Nicht das Ende des Terrors
Das am Donnerstag zu Ende gehende Jahr 2015 ist für den irakischen Ministerpräsidenten Haidar al-Abadi das Jahr der Befreiung; 2016 soll dann das des finalen Sieges über die Terrormiliz Islamischer Staat folgen.
Anlass für diesen ziemlich optimistisch geratenen Blick in die Glaskugel ist die Rückeroberung der Provinzhauptstadt Ramadi zu Beginn der Woche. Das ist zweifellos ein militärischer Erfolg — einer von mehreren in den vergangenen Wochen — aber noch lange nicht das Ende des IS-Kalifats im Irak und in Syrien.
Denn zum einen wäre der irakische Erfolg ohne die Luftunterstützung der von den USA angeführten Allianz kaum denkbar — und die dürften sich im kommenden Jahr eher auf und in Syrien konzentrieren. Zum anderen sind die jüngsten Geländegewinne der irakischen Truppen nur die eine Seite der Medaille.
14 Prozent seines Gebietes soll der IS seit Jahresbeginn verloren haben — so hat es das US-Institut IHS vorgerechnet. Von den Verlusten profitiert hat aber nicht der irakische Staat, der sich jetzt feiert, und auch nicht das Assad-Regime in Syrien. Das haben vor allem die Kurden: Um sechs Prozent konnten die Peschmerga im Nordirak ihr Territorium vergrößern, die syrisch-kurdischen Volksverteidigungseinheiten haben laut IHS sogar 186 Prozent zugelegt.
Damit ist der nächste Konflikt in den Bürgerkriegsländern programmiert. Nach dem Sieg über den IS — wann auch immer — werden die Kurden zu Recht politische Forderungen für eine Nachkriegsordnung anmelden. Mehr Mitbestimmung, weitgehende Autonomie — möglicherweise sogar Unabhängigkeit. Bisher hat der Westen die Kurden vor allem mit Waffen versorgt. Nun wird es Zeit, ihnen auch eine Perspektive zu geben.