Meinung Gegenwind aus Spanien für Brüssel und Berlin
Nach dem Absturz von Spaniens konservativem Regierungschef Rajoy könnte es gut sein, dass der EU-Kommission nach Griechenland und Portugal ein weiterer treuer Verbündeter verloren geht. Und die Austeritätspolitik, mit der auch das Euro-Krisenland Spanien geheilt werden soll, einen neuen Rückschlag erlebt.
Deswegen herrscht nach diesem spanischen Wahlunwetter, bei dem gleich zwei junge Protestparteien ins Parlament einzogen, in Brüssel wie in Berlin erhebliche Katerstimmung. Weil im spanischen Königreich, dessen Banken von Europa mit 41 Milliarden Euro vor der Pleite bewahrt werden mussten, keine Schönwetterfront, sondern politische Ungewissheit aufzieht.
Nach Rajoys Schlappe ist es unwahrscheinlich, dass er seine Haut retten kann. Er holte zwar einen bitteren Sieg, braucht aber zum Überleben einen Partner, den er nicht hat. Das Gesicht Rajoys in der Wahlnacht sprach Bände. So sieht kein Wahlsieger aus. Obwohl Rajoy verkündete, eine Regierungsmehrheit suchen zu wollen, wird er einen Machtwechsel mit Linksruck wohl nicht aufhalten können. Auch wenn es nicht einfach sein wird, aus Spaniens zersplitterter Mitte-Links-Landschaft eine stabile Koalition zu formen.
Sollte das Kunststück gelingen, dann wäre es wohl ein von den Sozialisten angeführter Pakt des Wechsels, in dem die steil aufsteigende Linkspartei Podemos eine Schlüsselrolle spielen dürfte. Denn die Protestbewegung ist der heimliche Sieger der Abstimmung. Podemos gilt als die spanische Schwesterpartei der griechischen Syriza. Der Einzug griechischer Verhältnisse in Spanien ist das Letzte, was sich EU, Gläubigerstaaten und Finanzmärkte wünschen. Zumal das Programm von Podemos eine klare Sprache spricht: Aufgabe der bisherigen Sparpolitik, Lockerung der Defizitziele und Neuverhandlung der drückenden Staatsschulden.
Sozialistenchef Pedro Sánchez wünscht ebenfalls ein Ende des von Brüssel dirigierten Streichkonzerts, mit dem seiner Meinung nach die Krisenstaaten „totgespart“ und soziale Spannungen provoziert wurden. Sogar Spaniens neue bürgerliche Partei Ciudadanos findet, dass der bisherige Sparzwang zu weit gegangen ist. Bei so viel Gegenwind von der iberischen Halbinsel, die immerhin die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone ist, sollten Brüssel und Berlin in sich gehen. Und darüber nachdenken, ob etwas weniger Spardruck nicht mehr bringt — und eher zum Ziel führt.