Papst-Rücktritt: Eine historische Zäsur — und Chance
Papst Benedikt XVI. macht den Weg frei
Am Donnerstagabend um 20 Uhr endet das Pontifikat von Benedikt XVI. Nicht, weil der Himmel ihm eine Frist gesetzt hätte. Sondern weil ein hochbetagter Mann seine Kräfte angesichts einer sich schnell verändernden Welt realistisch einschätzt: Physisch und mental zu schwach, um das nötige Tempo noch halten zu können.
Alles hat seine Zeit, sagt der Prediger Salomo in der Bibel. Rückte der polnische Vorgänger Johannes Paul II. mit seinem öffentlichen Leiden das Sterben als Teil des Lebens neu ins gesellschaftliche Blickfeld, so zeigt die große Geste des scheidenden Papstes: An der Macht muss man nicht bis zum letzten Atemzug kleben, man kann sie aus freien Stücken wieder hergeben.
Dieser demütigen Selbstbeschränkung, die er einmal „unter Umständen eine Pflicht“ nannte, wird auch in der säkularen Welt viel Respekt gezollt. Seiner Kirche beschert Papst Benedikt XVI. damit zudem eine historisch zu nennende Zäsur — und die Chance auf Veränderung.
In Zeiten des Umbruchs tradierter Formen des sozialen wie des religiösen Lebens wird es künftig darauf ankommen, für die Botschaft des Jesus von Nazareth, für den christlichen Glauben als ein sinnstiftendes Angebot unter vielen zu werben, ja, zu begeistern. Das braucht vertrauenswürdiges „Bodenpersonal“, eine uneingeschränkte Hinwendung zum Mitmenschen — und Normen, die einen Sitz in der Lebenspraxis der Gläubigen haben.
Unter dem weltumspannenden Dach der römisch-katholischen Kirche müssen sich verstärkt kulturell bedingte, regionale Besonderheiten ausbilden dürfen. In einem Land wie Deutschland beispielsweise, das Frauen wie Männer gleichermaßen fördert, muss sich die Kirche anders aufstellen können als in einem noch gänzlich patriarchalisch geprägten Umfeld. Einheit in Pluralität.
Papst Benedikt XVI. hat den Weg freigemacht. Für einen Nachfolger, der sich in der Gegenwart besser als er selbst zurechtfindet. Für einen Jüngeren mit frischer Kraft — und bestenfalls Manager-Qualitäten.
Ob die katholische Kirche, die den Wunderglauben beständig nährt, auf weitere Überraschungen an ihrer Spitze hoffen darf? Vieles scheint möglich in diesen Tagen.