Meinung Scheinheilige Zweifel an Krafts „Ausschließeritis“
Nun also doch: Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), die von Beginn des NRW-Landtagswahlkampfs an immer wieder betont, sie werde in Koalitionsfragen keine „Ausschließeritis“ betreiben, legte sich gestern fest: „Mit mir als Ministerpräsidentin wird es keine Regierung mit Beteiligung der Linken geben.“
Damit nimmt sie CDU und FDP wenige Tage vor der Wahl ein Stück Butter vom Brot, die in ihrem Wahlkampf durchaus mit der Angst vor „R2G“ (Rot-Rot-Grün) gearbeitet haben. Noch in der TV-Debatte hielt CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet fest, er schließe AfD und Linke aus, Frau Kraft tue das nicht. Bämm, der saß!
Das ist am Mittwoch verpufft. Das schwarz-gelbe Lager streute prompt Zweifel am Wert der Aussage der Regierungschefin und erinnerte an ihre erste Wahl zur Ministerpräsidentin. Im Sommer 2010 stand Hannelore Kraft nach wochenlangen Sondierungen vor einem Dilemma: Die SPD wollte keine große Koalition, für Rot-Grün reichte es nicht, Grüne und FDP konnten sich nicht auf eine Ampel mit der SPD einigen. Was blieb, war eine rot-grüne Minderheitsregierung — toleriert von der Linkspartei.
Und so kam es dann ja auch: Bei Krafts Wahl enthielten sich die Linken, und immer wenn es der Abstimmungs-Arithmetik nützlich war, holten sie gerade Kaffee, fanden den Plenarsaal nicht oder mussten aufs Klo; das ging zwei Jahre erstaunlich gut. Was also sollte Hannelore Kraft daran hindern, es einfach wieder so zu machen?
Antwort: Die Frage stellt sich bei gesundem Menschenverstand überhaupt nicht. Hannelore Kraft würde sich damit nämlich in Wahrheit nicht von der Linken abhängig machen (falls die es überhaupt in den Landtag schafft), sondern vom Stimmverhalten der AfD. Wahlkampf hin oder her: Das kann der Ministerpräsidentin niemand unterstellen, der selbst noch ernstgenommen werden will.
All das weiß und kalkuliert natürlich auch Hannelore Kraft — wozu dann diese Klarstellung, die bloß klarstellt, was bereits klar ist? Die simple Antwort lautet: Es ist wirklich bloß Taktik. Es ärgert CDU und FDP, es beruhigt vielleicht den ein oder anderen Verwirrten in den eigenen Reihen, und es spielt derzeit für die Lage im Bund und den kommenden Wahlkampf von Martin Schulz überhaupt keine Rolle.
Hannelore Kraft, die mit Umfragen nicht zu erschrecken ist, kämpft bis zum Ende um jede Stimme. Und es spricht viel dafür, dass sich das lohnt.