Sterbehilfe: Die Lebensmüden werden alleingelassen

Debatte um Legalisierung des ärztlich assistierten Suizids

Ein Kommentar von Peter Kurz.

Foto: Young David (DY)

Soll ein Arzt dem lebensunwilligen Patienten mit einem tödlichen Medikamentencocktail zur Seite stehen? Die einen sagen, es widerspreche der Menschenwürde, wenn ein Leben mit ärztlicher Hilfe beendet wird. Doch auch die Gegenseite beruft sich auf die Menschenwürde: Diese gebiete es, den selbstbestimmten Wunsch auf ein Ende zu respektieren.

Wenn schon die in den ersten Verfassungsartikel (Menschenwürde) gegossene Ethik nicht ausreicht, die Frage zu entscheiden — das einfache Recht vermag es umso weniger. Da untersagt die ärztliche Berufsordnung den Medizinern etwas, was dem normalen Menschen nicht verboten ist — jemandem beim Suizid zu helfen. Zu strafloser Selbsttötung gibt es nun mal keine strafrechtlich relevante Beihilfe.

Die Berufsordnung passt nicht zum Strafrecht. Zurück bleibt eine verunsicherte Ärzteschaft, die immerhin zu knapp einem Drittel der Ansicht ist, die ärztliche Suizidbeihilfe solle legalisiert werden. Doch weil die Mehrheit der Ärzte anders denkt, darf auch die Minderheit Patienten in Not nicht zur Seite stehen. Jedenfalls nicht offen.

Damit erhalten nicht nur dubiose Geschäftemacher Gelegenheit, dieses Feld zu besetzen. Auch werden diejenigen, die für sich keinen anderen Weg als den Tod sehen, gedrängt, Hilfe im Ausland zu suchen. Wer sich das finanziell nicht leisten kann, geht den letzten Weg allein. Die Begleiterscheinungen, das kann sich jeder ausmalen, sind meist grauenvoll.

Wie bei der Debatte um die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen oder beim Streit um die Präimplantationsdiagnostik muss auch das Thema der Suizidbeihilfe breit diskutiert werden. Dort, wo gesetzliche Weichen gestellt werden — im Bundestag. Natürlich müssen da auch mögliche Folgen gewogen werden. Wie etwa die Befürchtung, dass das Angebot ärztlicher Suizidbeihilfe den Druck auf Schwerstkranke erhöhen kann, diesen Weg zu gehen.

Aber da kann es auch die anderen Fälle geben: Wer die Sicherheit hat, dass ihm ein Arzt des Vertrauens zur Seite stehen wird, hat die Gelegenheit eines Gesprächs mit einem einfühlsamen Berater. Und die Chance auf einen Ausweg, den der auf sich allein gestellte Lebensmüde gar nicht sieht — zurück ins Leben.