Viele Städte gehen am Stock
kommentar Hunderte Kommunen klagen gegen die Volkszählung
Dass 344 Kommunen gegen die Volkszählung klagen, ist ihrer nackten Not geschuldet. Sinkt die Einwohnerzahl, kommt noch weniger Geld in die ohnehin nur dürftig gefüllte Stadtkasse. Widerstand leuchtet da ein. Allzu rosig sind die Aussichten allerdings nicht, vor den Verwaltungsgerichten recht zu bekommen. Denn die Statistiker haben gute Argumente auf ihrer Seite. Sie verweisen auf eine gesetzliche Regelung, die weder gegen den Gleichheitsgrundsatz noch gegen das rechtsstaatliche Willkürverbot verstößt. Heißt im Klartext: alles okay beim Zensus 2011. Sollte der Streit vor dem Bundesverfassungsgericht landen, spricht vieles dafür, dass auch die obersten Richter die Sache absegnen.
Dabei ist die Finanznot vieler Kommunen auch ohne die Folgen der Volkszählung schon groß genug. Und das liegt meist nicht an der Unfähigkeit der Kämmerer, sondern an grundlegend falschen Strukturen: Rund 47 Milliarden Euro geben die Städte und Gemeinden in diesem Jahr für Sozialleistungen aus — trotz niedriger Arbeitslosigkeit und wachsender Wirtschaft so viel wie nie zuvor. Die Kommunen müssen Leistungen erbringen, die eigentlich alle staatlichen Ebenen zu schultern hätten. Ob es um den Ausbau der Betreuung für unter Dreijährige, um Hartz-IV-Empfänger oder um Flüchtlinge geht: Städte und Gemeinden werden finanziell überfordert. Ihnen fehlt jeder Spielraum, Schulden aus eigener Kraft abzubauen und ihre wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Sie gehen am Stock.
Inzwischen schwant das wohl auch der Bundesregierung. Zum Ausgleich für Mehrbelastungen der Kommunen durch die Flüchtlinge stellt Berlin 2015/16 rund eine Milliarde Euro zur Verfügung. Schön, aber natürlich reicht das nicht. Und was noch schwerer wiegt: Die Städte und Gemeinden bleiben in der Rolle des Bittstellers. Genau hier sollte eine Neuordnung der Geldströme zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ansetzen. Es darf eben nicht sein, dass Berlin Gesetze beschließt, die Wuppertal und Krefeld bezahlen müssen. Es gilt, die Lasten gerechter als heute zu verteilen. Damit alle die Chance haben, Haushalte ohne neue Schulden aufzustellen. Denn nicht nur Herr Schäuble freut sich über eine schwarze Null.