Wahrheiten zum Tag der Arbeit Starre Versprechen
Meinung · Der Tag der Arbeit ist hierzulande wenig überraschend mit allerhand Wertschätzung von Politikern und Gewerkschaftsvertretern für die arbeitende Bevölkerung vorbei gegangen. Wer am 1. Mai Überraschendes und durchgreifend neue Erkenntnisse erwartet, der wird in jedem Jahr aufs Neue enttäuscht.
Da ist neben Lobbyismus für Arbeit und Arbeitnehmer auch viel Politik-Folklore unterwegs. Zumal dann, wenn die nächsten Wahlen nicht mehr weit sind. Europa lässt grüßen.
Schwierig aber wird es, wenn man den Eindruck erhält, dass die gesellschaftlichen Realitäten rein gar nichts an der abgeklärten Haltung jener verändern, die die Zukunft dieser Republik in einer Zeit der Umbrüche gestalten müssen. Hat man der Videobotschaft von Kanzler Olaf Scholz (SPD) zum 1. Mai aufmerksam zugehört, ist da ein Besorgnis erregend schön gezeichnetes Bild deutscher Arbeitswelt auf Video gebannt, das mit der Realität nicht mehr ganz viel zu tun hat. Für Scholz kann alles bleiben, wie es ist. Keiner schraube bitte an der Rente und deren Zugangsverhältnissen, gearbeitet werde doch so viel wie nie. Und: Deutschland, also bitte, sei alles andere als ein Freizeitpark. Passend dazu hat der Deutsche Gewerkschaftsbund angesichts seiner zuletzt gelungenen Tarifverhandlungen getitelt: „Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit.“ Klingt wie im Paradies.
Angesichts von überbordendem Fachkräftemangel, Branchenkrisen und einem kollabierenden Rentensystem, in dem immer mehr ältere Menschen Rente erhalten als jüngere Menschen dafür einzahlen können, ist das eine euphemistische Erzählung unserer Zeit. Eigentlich ist sie sogar gefährlich. Zumal sie Überprüfung nicht standhält. Etwa der, dass die Menschen bei immer mehr Teilzeit gar nicht mehr arbeiten, sondern einfach immer mehr Menschen arbeiten. Aber, was wichtiger ist: Der deutsche Arbeitsmarkt braucht mehr Flexibilität und Analyse von Arbeit und Arbeitszeit, vorhandener und nicht vorhandener Arbeitskraft – und auch der Rente. Und er braucht Anreizsysteme für mehr Arbeit, auch in der Rente. Und keine starren Versprechen für ein dankbares Publikum.