Wofür es sich zu kämpfen lohnt
Der Friedensnobelpreis für die EU ist Ermutigung und Ansporn
Ist das Nobelkomitee denn noch ganz gescheit? Der Friedenspreis 2012 an eine Europäische Union, die mitten in der größten Krise ihrer Geschichte steht und mehr und mehr die Akzeptanz ihrer Bürger verliert? Die Antwort lautet eindeutig: ja. Die Entscheidung aus Oslo ist goldrichtig, gerade wegen der jetzigen Euro- und Schuldenkrise in Europa. Denn sie macht deutlich, wofür der politische Einigungsprozess im Kern steht und warum es sich lohnt, für diese Idee zu kämpfen.
Nun also sind wir Deutschen nicht mehr nur Papst. Wir sind — mit Millionen weiterer Europäer — auch Friedensnobelpreisträger. Darauf dürfen wir stolz sein. Die EU ist eben mehr als nur die Frage nach der richtigen Krümmung der Banane, mehr als das Verbot der Glühbirne, aber auch mehr als der Wegfall von Schlagbäumen an den Grenzen. Und sie ist viel mehr als der Euro und die Schuldenkrise.
Die europäischen Gründungsväter haben nach jahrhundertelangen Rivalitäten und nach zwei grauenvollen Weltkriegen das Fundament für eine historisch beispiellose Zeit des Friedens geschaffen. Und mit dem Frieden kam ein bis dahin nicht gekanntes Maß an Freiheit und Wohlstand.
Dieser Kern ist nach sechs Jahrzehnten leider zu stark aus dem Blickfeld geraten. Weil er als Selbstverständlichkeit hingenommen wird. Dass diese Errungenschaften aber fragil sind, macht nicht zuletzt die derzeitige Krise deutlich. Niemand weiß, in welche Richtung die Union steuert. Und auch ihr Ende hat für viele den Schrecken verloren angesichts von Milliarden-Rettungshilfen für die südeuropäischen Pleitestaaten.
Daher ist die Verleihung des Friedensnobelpreises auch kein Grund, sich auf Lorbeeren auszuruhen. Er ist vielmehr ein Auftrag an die führenden europäischen Politiker.
Das Nobelkomitee hat das getan, was den Politikern in der Krise nicht gelungen ist: den Bürgern deutlich zu machen, warum wir die EU brauchen, auch wenn der Preis hoch ist. Sie müssen endlich eine neue Vision für Europa entwickeln, so wie es den Gründungsvätern einst gelang, anstatt im politischen Klein-Klein und in nationalstaatlichen Egoismen zu verharren. Nur dann werden sie der Auszeichnung gerecht werden.