Meinung Wohnungsnot: Der Markt allein wird es nicht richten

Meinung · Noch nie wurde in Nordrhein-Westfalen so viel Geld für den Wohnungsbau bereitgestellt. Sagt das Landesbauministerium. Die Anstrengungen zur Bekämpfung der Wohnungsmisere müssen massiv verstärkt werden. Sagt das Aktionsbündnis „Wir wollen wohnen!“. Und beide haben recht.

Ekkehard Rüger

Foto: ja/Sergej Lepke

Denn die Folgen wohnungspolitischer Versäumnisse, die teils Jahre und Jahrzehnte zurückliegen, sind so groß, dass ihre Korrektur noch sehr viel Zeit und sehr viel Geld kosten wird.

Wohnungsbau ist ein schwerer Tanker. Es muss Flächen geben, die planungsrechtlichen Voraussetzungen müssen geschaffen werden. Und es braucht genügend Investoren, die bereit sind, Renditeerwartungen und soziale Verantwortung in ein vernünftiges Verhältnis zueinander zu setzen.

Zwischenzeitlich ist es in NRW mal gelungen, mehr Sozialwohnungen zu bauen, als aus der Preisbindung herausfielen. Das ist nicht mehr so. 2017 büßte NRW, bundesweit das Land mit den meisten Sozialwohnungen, gegenüber dem Vorjahr rund 6000 staatlich bezuschusste Wohnungen ein. Dabei müssten es mehr werden. 20 000 neue Sozialwohnungen pro Jahr fordert das NRW-Aktionsbündnis, um den Bedarf zu decken. Weniger als die Hälfte werden aktuell gebaut.

In diese langwierigen Korrekturprozesse ausgerechnet mit relativ kurzfristig umsetzbaren Abstrichen beim Mieterschutz zu grätschen, wäre eine politische Dummheit. Natürlich würde der Mieterschutz damit nicht abgeschafft: Bundesrecht gilt schließlich weiter. Aber es wäre ein falsches Signal in einem Themenfeld, dessen politische Brisanz ohnehin schon zu lange verkannt wurde. Die Landesregierung tut gut daran, ihre Entfesselungsfantasien auf diesem Gebiet noch einmal gutachterlich überprüfen zu lassen.

Sie täte auch gut daran, die zunächst von der SPD und jetzt auch von dem Aktionsbündnis ins Gespräch gebrachte landeseigene Wohnungsbaugesellschaft nicht vorschnell abzutun. Für den 2008 von Schwarz-Gelb realisierten, aber schon von Rot-Grün in die Wege geleiteten Verkauf der Landesentwicklungsanstalt mag es damals gute Gründe gegeben haben. Aber die Zeiten sind andere. Und der Markt allein, da hat das Aktionsbündnis recht, wird es nicht richten. Neben der jetzt geforderten Stärkung kommunaler und genossenschaftlicher Wohnungsunternehmen könnte ein neuerliches Engagement des Landes auch auf diesem Gebiet unter anderen Bedingungen durchaus Sinn machen.

Unter der Wohnungsnot leiden beinahe alle: Arme, Alte, Behinderte, Alleinerziehende, Studenten, Familien. Die Zahl derjenigen, die mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Miete aufbieten, wächst.  Gemessen daran, kann auch ein „So viel wie noch nie“ noch nicht genug sein.