Wowereits Zeit ist abgelaufen

Klaus Wowereit nimmt seinen Hut

Ein Kommentar von Hagen Strauß.

Foto: k r o h n f o t o .de

Man täte Klaus Wowereit wohl Unrecht, würde man seine Amtszeit allein auf das Berliner Flughafen-Debakel reduzieren. Wowereit hat es geschafft, aus dem nörgelnden, so frustigen Berlin eine Stadt mit facettenreichen Lebensgeistern zu machen. Dass Berlin so hip und in aller Welt beliebt ist, dass die deutsche Hauptstadt sich im Wettbewerb internationaler Metropolen kulturell und auch ökonomisch nicht mehr verstecken muss, ist nicht nur, aber auch ein Verdienst des Sozialdemokraten Wowereit. Nach außen hat er Berlin exzellent vertreten und dadurch nach vorn gebracht, selbst in Hollywood kennt man seinen Namen.

Nach innen ist die Bilanz des Genossen jedoch bescheiden bis fürchterlich. Kein Problem, bei dem sich der durchaus charismatische Wowereit in den letzten Jahren nicht weggeduckt hat. S-Bahn-Chaos? Verkehrsinfarkt? Ghettoisierung ganzer Stadtteile? Unterfinanzierung der Berliner Schulen? „Wo ist eigentlich Wowi?“ wurde oft genug in der Vergangenheit von den Berlinern in ihren Eckkneipen gefragt. Arm, aber sexy, ist auf Dauer eben zu wenig. Schon gar nicht ist es ein politisches Konzept für eine Stadt wie Berlin. Und dann doch noch der Großflughafen Berlin-Brandenburg: Sein verbliebenes Renommee hat Wowereit mit dem Chaos am milliardenschweren Airport völlig verspielt.

Tatkraft, Selbstkritik, das waren nie die Markenzeichen des Berliners, dessen Beliebtheit sich vor allem aus dessen Herkunft gespeist hat. Um es mit den Worten seines mutigen Outings als Homosexueller zu sagen: Wowereit nimmt seinen Hut, „und das ist gut so“. Seine Zeit ist schlichtweg abgelaufen.

Und es ist wie so oft bei Politikern, die jahrelang im Amt sind und ihre Partei von oben her im Alleingang prägen — Wowereit hat keinen hinter sich politisch aufgebaut. Wie unklug. Das wird sich für die Partei noch rächen. Gleichwohl wird auch die Bundes-SPD den Berliner noch vermissen, trotz seiner politisch miserablen Bilanz. Der 60-Jährige ist ein Zugpferd für die gesamte Partei gewesen. Wowereit hat die Säle gefüllt, er hat polarisiert, was für einen Politiker nicht schlecht sein muss. Bei all seinen Macken: Einen wie Wowereit muss die Bundes-SPD erstmal wieder finden.