Selbst an einem verregneten Montagmittag dauert es nur wenige Minuten ehe man den ersten Waldbesuchern begegnet. Viele von ihnen sind mit ihren Hunden unterwegs, einige fahren Rad oder joggen dem matschigen Weg entlang, trotz des sich schon anbahnenden Winters. „Es macht mich traurig, was mit dem Wald passiert“, sagt Christian Föhr. Der 55-Jährige wohnt seit 15 Jahren nur einige hundert Meter entfernt von der Allee, täglich geht er mit seinem Hund dort spazieren. „Das ist unsere Route“, sagt er. Eigentlich ist Föhr wegen der Natur hierhergezogen. „Sonst könnte ich in den Hochhäusern am Rheinparkcenter wohnen.“

Motten, Pilze, Folgeschäden vom Sturm „Ela“: Die Liste mit den Gründen, warum die Bäume Anfang nächsten Jahres gefällt werden, ist lang. Langfristig sei die Prognose für die Allee schlecht, sagt Henrike Mölleken, Leiterin des Grünflächenamtes in Neuss. „Wir wollen die Allee langfristig behalten, aber mit diesen Bäumen wird es sie in Zukunft nicht geben“, so Mölleken. Sie sollen mit Linden ersetzt werden, dadurch habe man in Neuss schon gute Erfahrung gemacht. Doch bis die Linden so groß wie die Kastanien werden, dauert es Jahrzehnte.

„Es ist ein Trauerspiel, was von den Bäumen übrig geblieben ist“, sagt Hilde Janssen. Die 64-Jährige ist in der Nähe vom Nordkanal aufgewachsen, in den letzten Jahren ist sie täglich dort joggen oder spazieren. Seit dem Sturm vor vier Jahren habe sich der Wald verändert. „Das war eine Katastrophe, die Bäume lagen überall quer“, erinnert sich Janssen. Auch Christian Föhr findet die Veränderungen gravierend. „Neuss war mal eine grüne Stadt, aber das ist sie nicht mehr“, sagt er. „Den alten Baumbestand kann man nicht so schnell ersetzen, das wird 30 bis 40 Jahre dauern. Ein 40 Jahre alter Baum filtert natürlich viel mehr CO₂ als ein junges Bäumchen.“ Mit dem Verschwinden der Bäume verschwindet für Föhr auch der Wohnwert seiner Gegend.

Auch Ingrid Hladich, 61, beobachtet seit Jahren, wie der Baumbestand am Nordkanal schrumpft. Sie erinnert sich noch gut daran, wie dort früher Kastanie an Kastanie gestanden hat. Sie ist mit dem kühlen Schatten aufgewachsen, den die Bäume entlang der Allee spendieren. Oder besser gesagt: spendiert haben. „Man hat letzten Sommer gemerkt, dass die Bäume fehlen“, so Hladich. „Für die grüne Lunge der Stadt Neuss ist das schlimm.“ Nur im Frühling sei der Wald noch grün, ansonsten dominiere die Farbe braun, erzählt Hladich. Dafür sieht sie die Stadt in der Verantwortung. „Wenn Schützenfest ist, da ist die Stadt immer gern dabei.“ Einen solchen Drang wünscht sie sich von der Verwaltung auch für die Allee am Nordkanal, auch wenn es „nur“ um Bäume am Rand der Stadt gehe.