Der Großpianist in der Musikhochschule Alfred Brendel lehrt Mozart

Düsseldorf · Der Pianist und Pädagoge sprach in der Schumann-Hochschule über die Kunst der Interpretation. Beim berühmten Östrerreicher hatte er eine Warnung parat.

Der 93-jährige Alfred Brendel in der Robert-Schumann-Hochschule.

Foto: Susanne Diesner/RSH

Bereits vor mehr als 15 Jahren gab Alfred Brendel, Jahrgang 1931, sein letztes öffentliches Konzert. Doch nur als Pianist begab sich der Österreicher in den Ruhestand. Als Autor und Lehrer zeigt er unermüdlich Präsenz. Durch einen glücklichen Zufall kam er zu seinem abermaligen Besuch an den Rhein: Andrej Bielow, Violin-Professor an der Robert-Schumann-Hochschule, musiziert mit Brendels Sohn, dem Cellisten Adrian Brendel, zusammen. So kam der Kontakt zur Musikhochschule zustande. Und nun hält Alfred Brendel also dieser Tage hier Vorträge und gibt Meisterkurse.

Beim Thema hätte es viele Möglichkeiten gegeben. Denn Brendel war in seinem Musikerleben eine Instanz nicht nur für die Wiener Klassik mit Haydn, Mozart und Beethoven, sondern auch für das Klavierwerk Franz Liszts und Ferruccio Busonis, zudem ein großartiger Interpret der späten Schubert-Sonaten, der Brahms-Klavierkonzerte und vieler Schumann-Werke. Ausgewählt aus Brendels großem Fundus wurde nun Mozart, genauer gesagt: die Disziplin „Mozart spielen“.

„Für Kinder zu leicht, für Erwachsene zu schwer“ – dieses Bonmot des Jahrhundert-Pianisten Artur Schnabel durfte in dem Mozart-Kolloquium freilich nicht fehlen. Denn Mozart finden alle Profipianisten schwer, woran sich bis heute wohl nichts geändert hat. Brendel ging der Sache auf den Grund.

Vorgebeugt und unterstützt von einem Krückstock bewegte sich der 93-Jährige aufs Podium. Umso quirliger waren die Gedanken über Mozarts Musik, denen er mithilfe eines Redemanuskripts Ausdruck verlieh. Brendel sprach relativ langsam, aber gut fließend und mit jenem österreichischen Tonfall, der eine Art Poleposition hinsichtlich Mozart-Kompetenz suggerierte.

Das Wesentliche schlummere in der Partitur, als Interpret sei man dazu da, das Dornröschen wachzuküssen, sagte Brendel. Mozarts Klavierkonzerte seien der Gipfel des Repertoires: zärtlich bis dämonisch und witzig bis tragisch. Mozarts Zeitgenossen hätten davon nicht sehr viel verstanden und unnötige Schwierigkeiten sowie übertriebene Kontraste beanstandet. Außerdem sei ihnen Mozart „zu wenig kantabel“ vorgekommen. Solche Aussagen könnten wie heute – so Brendel – „nur staunend registrieren“.

Das Pedal kommt ihm
beim Artikulieren zur Hilfe

Nein, natürlich sei Mozart neben Schubert und Händel der größte Melodiker gewesen. Daher spiele das Gesangliche beim Mozart-Spiel eine zentrale Rolle. „Der Gesang muss artikuliert werden“, betonte Brendel, und ihm selbst komme dabei – anders als den Puristen – das Pedal gelegentlich zu Hilfe. Auch den modernen Konzertflügel bevorzuge er gegenüber dem Hammerflügel: „Die Töne klingen länger und können besser singen.“ Kenntlich machte Brendel das durch Musikbeispiele vom Band und vergleich den Anfang von Mozarts letzter Sonate in einer Aufnahme, die mit Mozarts Flügel gemacht wurde, mit einer Einspielung unter Verwendung des heutigen Flügels. Der Kontrast war deutlich zu hören, aber das Urteil bleibt wohl Geschmackssache.

Brendel zeigte sich nicht unbedingt als größter Verfechter des „Historisierens“, befand aber, dass ihn Werke von Claudio Monteverdi und Sonaten Domenico Scarlattis auf historischen Instrumenten am stärksten überzeugen. Scarlatti auf dem Cembalo gebe er – anders als bei Mozart – den Vorzug gegenüber einer Darbietung auf dem Klavier.

Unter den didaktisch ausgewählten Hörbeispielen befand sich auch der langsame c-Moll-Satz aus dem frühen Es-Dur-Klavierkonzert KV 271 mit Beinamen „Jeunehomme“ und der Mittelsatz aus dem c-Moll-Konzert KV 491. Letzterer sei möglichst schlicht zu spielen: „Hier mehr zu tun, wäre ein Missverständnis.“ Ist das bei Mozart immer so? Laut Brendel keineswegs. Es würden sich immer drei Fragen ergeben: Was braucht ein Werk, was verträgt ein Werk und was stört ein Werk? Oft sei „inspirierende Einfachheit“ geboten, um den Hörer zu rühren. „Ständiges Elaborieren kann eine Last sein, welche die Musik unter sich begräbt“, warnte der Altmeister.

Jedes Stück von Mozart habe seine Schwierigkeiten. Einheitsrezepte gebe es nicht, insofern sei des Lernens kein Ende, die richtige Mozart-Interpretation eine Utopie, der Pianisten versuchen sollten, möglichst nahezukommen.