Konzert in Kempen Wohltuend entschlackte Gesangskultur
Kempen · Der Tenor Patrick Grahl und die Pianistin Klara Hornig gestalteten in der gut besuchten Paterskirche ein Liedprogramm mit romantischen und spätromantischen Werken. Warum dieser Liederabend etwas Besonders war.
Patrick Grahl ist ein vielseitiger Tenor. Insidern dürfte er vor allem als herausragender Evangelist in Passionen und als Oratoriensänger ein Begriff sein. Weniger bekannt ist, dass der im Thomanerchor geschulte und an der Musikhochschule „Felix Mendelssohn Bartholdy“ bei Berthold Schmid ausgebildete gebürtige Leipziger sich bereits in zahlreichen Bühnenrollen bewährt hat.
Dazu gehören Alfred („Die Fledermaus“), Tamino („Die Zauberflöte“), Hirte („Tristan und Isolde“), Don Ottavio („Don Giovanni“) oder Jaquino („Fidelio“). Außerdem legt der Preisträger des Internationalen Johann-Sebastian-Bach Wettbewerbs (2016), der international mit ersten Orchestern und Dirigenten konzertiert, Wert auf kammermusikalische Projekte und Liederabende.
Vielleicht ist es diese Bandbreite, die Patrick Grahls Liedgestaltung zu etwas Besonderem macht. Völlig locker und ungekünstelt, jede überflüssige Bewegung vermeidend, mit klarer Diktion und nur auf seine facettenreiche, vorbildlich ausgebildete Stimme vertrauend, vermittelt er dem Zuhörer den Inhalt seiner Vorträge. Sein angenehm dunkel timbrierter, sich schlackenlos in allen Lagen frei entfaltender und im Forte wunderbar funkelnder Tenor fesselt ungemein – zumal der Sänger es versteht, mit immer wieder neuen Farbnuancen zu beglücken.
Der Flügel vom Klara Hornig
ist nur halb geöffnet
Dazu ist Klara Hornig am glücklicherweise nur halb geöffneten Flügel die rechte Ergänzung. Auch ihr sind alle Äußerlichkeiten fremd. Mit verhaltenem Enthusiasmus, optimalen technischen Voraussetzungen und einer Einfühlsamkeit, die ihresgleichen sucht, ist sie dem Sänger eine mustergültige Partnerin.
Robert Schumann stand an erster Stelle bei diesem mit Bewunderung und viel Applaus begleiteten Liederabend in der Kempener Paterskirche. Neben „Drei Gedichten aus den Waldliedern“ (Texte Gustav Pfarrius) und den „Liedern und Gesängen“ op.77 war der bekannte Zyklus „Dichterliebe“ op. 48 das gewichtige Hauptwerk des Konzertes. Die Texte Heinrich Heines, die einen Bogen spannen von erwachender Liebe über den Bruch der Beziehung bis zu schmerzhaften Erinnerungen, wusste das Duo Grahl-Hönig dem fasziniert lauschenden Publikum auf beeindruckende Weise zu vermitteln.
Als interessante Hörerlebnisse reihten sich Lieder zweier Komponisten des vergangenen Jahrhunderts – Johannes Weyrauch (1897-1977) und Wilhelm Weismann (1900-1960) – dank ihrer gemäßigten, fast spätromantischen Klangsprache nahtlos in die Schumann-Abfolge ein. Robert Schumanns verhaltenes Lied „Mondnacht“ – auch das ohne alle Manierismen – war der Abschluss eines großen Liederabends.