Gedichte von Bertolt Brecht vertont Ein Liederabend mit politischer Botschaft in Kempen

Kempen · Gisela Vos-Ammon und Stefan Lindner trugen in der „Haltestelle“ in Kempen Brecht-Vertonun­gen von Hanns Eisler vor. Das Publikum nahm das Konzert begeistert auf.

Gisela Vos-Ammon und Stefan Lindner sorgten für ein ebenso kurzweiliges wie bewegen­des Konzert.

Foto: Norbert Prümen

(tg) Vielfach werden dieser Tage war­nende Vergleiche zwischen unserer Gegenwart und den Verhältnissen zur Zeit der Weimarer Republik an­gestellt. Insofern hätte das am Frei­tagabend in der „Haltestelle“ dargebo­tene Programm mit Vertonungen von Gedichten Bertolt Brechts durch den österreichischen Komponisten Hanns Eisler, die einen Zeitraum von 1928 bis 1951 abdeckten und von der langjährigen fruchtbaren Zu­sammenarbeit der beiden Künstler zeugen, passender kaum sein kön­nen.

Wolfgang Thier, musikalischer Leiter des Veranstaltungsorts, freute sich, mit der Mezzosopranistin Gise­la Vos-Ammon, die ihrer musikali­schen Leidenschaft zusätzlich zum Beruf als Laiin nachgeht, sowie Ste­fan Lindner, Musiklehrer am Luise-von-Duesberg-Gymnasium, zwei Kempener Interpreten begrü­ßen zu können. Der hohe künstleri­sche Gehalt der Stücke, die Ein­dringlichkeit der Texte und die In­tensität des Vortrags sorgten für ein ebenso kurzweiliges wie bewegen­des Konzert.

Brechts engagierte Lyrik und Eislers an die Tradition des Kunstliedes an­knüpfende Kompositionen, die stilis­tisch bewusst „dem Text widerste­hen“ und auf wohltuende Weise ohne jedes Pathos auskommen, schufen eine neue „proletarische Kunst“ – für die Kommunisten Brecht und Eisler „Volksmusik“ im besten Sinne des Wortes, die bis heu­te weder politisch noch ästhetisch an Wert eingebüßt hat.

Die 13 vorgetra­genen Lieder behandeln The­men wie soziale Ungerechtig­keit, das „Dritte Reich“, Flucht und Heimat­verlust oder den Aufbauwil­len nach dem Krieg. Eini­ge Beispiele: das im ber­linerischen Dialekt gesungene „Stempellied“ von 1929, das mit bis­siger Ironie die Essensausgabe an Arbeitslose be­schreibt; das trotzig-kämpferische „moderne Wiegenlied“ „Mein Sohn, was immer auch aus dir werde“ von 1932; der bitterböse „Kälbermarsch“ (1933) als visionäre Persiflage des nationalsozialistischen „Horst-Wes­sel-Liedes“; die „Ballade vom Was­serrad“ (1934), die eine Umdeutung des barocken Bildes vom „Rad der Fortuna“ bietet; oder das formal als Liebeserklärung an ein technisches Gerät verpackte, die Verzweiflung des Exils evozierende kurze Lied „An den kleinen Radio­apparat“ von 1940.

Vos-Ammon und Lindner, der darüber hinaus durch das Konzert moderierte, musizierten mit großem Sinn für die emotionalen Nuancen und die Dramaturgie der teilweise Bühnenstücken entnommen­en Lieder, deren Vortrag daher Gestik und unterschiedliche Sprechrollen einschließt. Krönender, vielleicht auch Mut machender Ab­schluss war die „Kinderhymne“ (1951, „Armut spa­ret nicht noch Mühe…“), in der Brecht und Eisler von einem besse­ren Deutschland träumen. Die Zuga­be des vom Publi­kum mit Begeiste­rung aufgenomme­nen Konzerts brachte eine eigens ak­tualisierte Ver­sion von Brechts „Friedenslied“.