„Kempen ist bunt“ Rund 2000 demonstrieren gegen Extremismus
Kempen · Für Menschenrechte, Vielfalt und Freiheit gingen am Samstag in Kempen rund 2000 Menschen auf die Straße. Unter dem Motto „Kempen ist bunt“ hatte der Kunstverein Kempen zur Demo aufgerufen, der sich Alt und Jung anschlossen.
Rund um das Martinsdenkmal vor dem Rathaus am Buttermarkt in Kempen stehen die Menschen dicht an dicht. Viele tragen einen Aufkleber auf der Brust, den der Kunstverein Kempen verteilt hat. „Gemeinsam in der Mitte bleiben“, steht darauf, umringt von bunten Händen in allen Farben des Regenbogens. Dazu passt ein Plakat, das ein Teilnehmer hochhält: „Im Regenbogen gibt‘s kein Braun.“
Es sind Menschen jeden Alters, die zum Buttermarkt gekommen sind: Alte und Junge, Familien mit kleinen Kindern auf dem Arm oder im Kinderwagen, Jugendliche, Paare im Mittelalter, Senioren mit Rollator. Manche haben sich in Regenbogenfahnen gehüllt, viele tragen selbst gebastelte Plakate, mit denen sie sich deutlich gegen Rechtsextremismus und gegen die AfD wenden. „Rassismus ist keine Meinung, Dummheit keine Ausrede“ ist da zu lesen, „Vielfalt statt Einfalt“, „Rassismus und Populismus sind keine Alternativen“ oder, umrahmt von einem Regenbogen-Herz: „Sei kein Nazi“. Wie viele Menschen gekommen sind, vermag am Nachmittag niemand so genau zu sagen: Rund um das Martinsdenkmal herrscht Gedränge, auch zur Heilig-Geist-Kapelle hin stehen noch viele, während es in Richtung Café Peerbooms weniger werden. Auf rund 750 schätzt die Polizei vor Ort die Teilnehmerzahl, rund 2000 sind es nach Angaben der Stadt.
Kundgebung organisiert
vom Kunstverein Kempen
In vielen Städten und Gemeinden gehen in diesen Tagen Menschen auf die Straße. Auslöser der Proteste sind Enthüllungen des Recherchenetzwerks „Correctiv“ über ein Treffen von Rechtsextremen in Potsdam im November 2023, bei dem es um die so genannte Remigration ging, also das Abschieben von Menschen mit Migrationshintergrund. An dem Treffen hatten auch AfD- und CDU-Politiker der Werteunion teilgenommen. Die Kundgebung auf dem Kempener Buttermarkt und den anschließenden Zug durch die Stadt hat der junge Kunstverein Kempen organisiert, der 27 Mitglieder zählt. Örtliche Parteien, Organisationen und Einrichtungen schlossen sich an. „Ich habe eine Nacht nicht geschlafen, weil mich Potsdam so bewegt hat“, sagt Oliver Heuken, Vorsitzender des Kunstvereins Kempen, „und ich habe gesagt: ,Wir müssen etwas machen.’“ Die Kunst sei bunt, Kempen sei bunt, deshalb das Motto. Für Heuken ist es die erste Demo, die er je organisiert hat, „ich hätte nicht gedacht, dass es so aufwendig ist“, sagt er, freut sich aber über den starken Zuspruch, den er dabei erfahren hat. Die Zuhörerinnen und Zuhörer applaudieren laut, als Heuken ins Mikro eine Botschaft an die „fiesen Faschistenfratzen“ spricht: „Nein, ihr bestimmt das nicht, ihr seid nicht das Volk!“
Bürgermeister appelliert,
im Alltag Gesicht zu zeigen
Kempens Bürgermeister Christoph Dellmans (parteilos) ist sichtlich beeindruckt, als er von der Bühne am Martinsdenkmal aus den Blick über den vollen Buttermarkt schweifen lässt: „Wow! Dieses Bild zeigt, dass wir in Kempen zusammenstehen“, sagt Dellmans: „Unsere Stadt steht für Vielfalt, Toleranz und ein friedliches Miteinander. Heute stehen wir vereint und rufen: ,Nie wieder ist jetzt!“ Der Bürgermeister appelliert an die Bürgerinnen und Bürger, auch im Alltag immer wieder Gesicht zu zeigen, ob im Verein, in der Firma, „und denen, die unsere demokratischen Grundordnung aus den Angeln heben wollen, zu zeigen, dass wir mehr sind.“ Alle Sorgen und Nöte seien keine Entschuldigung dafür, den Rechtsextremisten nach dem Mund zu reden. Seine Stellvertreterin Monika Schütz-Madré (Grüne) wirbt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt: Von Interesse sei nicht, woher der Einzelne gekommen sei, sondern der Weg, den man gemeinsam gehe. Sie sagt auch: „Wir schützen jüdisches Leben, und jeder Antisemit muss mit unserem entschiedenen Widerstand rechnen.“
Michael Gallach, evangelischer Pfarrer in Kempen, appelliert: „Reden wir denen ins Gewissen, die meinen, man könne durch ein Kreuzchen auf dem Wahlschein ,denen da oben‘ einen Denkzettel verpassen.“ Der Blick in andere Länder zeige, wie schnell aus einer Demokratie eine Diktatur werde. Da dürfe man nicht glauben, so etwas könne es hier nicht geben, wird Gallach deutlich und ruft: „Wie naiv wollt ihr denn sein?“ Für die katholische Kirchengemeinde St. Mariae Geburt in Kempen erinnert Heiner Tendyck an das Gebot der Nächstenliebe, den Einsatz für Schwache, Arme und Unterdrückte, und die christliche Botschaft, „dass Gott alle Menschen liebt, egal woher sie kommen, welche Hautfarbe sie haben, welches Geschlecht und welche sexuelle Orientierung sie haben“.
Worte der muslimischen Gemeinde, des Arbeitskreises für Asyl und Menschenrechte, der im Stadtrat vertretenen Fraktionen von CDU, SPD, FDP, ÖDP und FWK hören die Teilnehmer auf dem Buttermarkt, die Trommler von Samba X Bateria Niederrhein untermalen den Applaus mit Trommelwirbeln. Geschichte werde von Menschen gemacht, sie passiere nicht einfach so, erinnert die Historikerin Ina Germes-Dohmen, Vorsitzende des Kempener Geschichts- und Museumsvereins. Solchen unheilvollen Gedanken, wie jetzt in Potsdam, seien schon vor 90 Jahren unheilvolle Taten gefolgt. Ihr Appell: „Kommen Sie aus Ihren Nischen! Jetzt ist die Zeit, aufzustehen und den Mund aufzumachen!“