Nachhaltiges Bauen rückt stärker ins Bewusstsein Alternative Baustoffe werden wichtiger

DÜSSELDORF · Der Klimaschutz ist einer der größten, wenn nicht die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Wirtschaft und Gesellschaft sind laut allgemeiner Einschätzung in allen Belangen gefragt, Veränderungen anzustoßen, um das Klima zu schützen und die wissenschaftlich als notwendig bestätigte CO2-Neutralität zu erreichen.

Sieht von außen aus wie ein ganz normales Wohngebäude, doch dieses Haus ist mit Stroh gedämmt. In Deutschland ist das noch immer eine Seltenheit.

Foto: dpa-tmn/Petra Höglmeier

Der in Deutschland und der Schweiz tätige Architekt Dr. Christoph Wagener betont die Rolle der Bauwirtschaft bei diesem Vorhaben: „Seit Mitte Dezember 2020 ist laut UN-Umweltprogramms UNEP der Ausstoß von Treibhausgasen in der Bau- und Immobilienbranche auf ein neues Allzeithoch gestiegen und für 38 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Daher umfasst nachhaltiges Bauen und Betreiben von Immobilien vor allem die Aspekte einer umweltschonenden Bauweise, die effiziente Nutzung von Ressourcen, eine hohe Nutzungsflexibilität, einen energieeffizienten Betrieb und effiziente Lebenszykluskosten.“

Die Aufgaben seien breit gefächert, und Nachhaltigkeit am Bau lasse sich nicht mir nichts, dir nichts herstellen. „Bauen ist eine gesamtheitliche Aufgabe und funktioniert nicht mehr ohne Kenntnisse von Baustoffen, Konstruktionen und Energiesystemen über den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden in deren Auswirkungen auf Umwelt und Wirtschaftlichkeit. Nachhaltiges Bauen bedarf dem grundlegenden Verständnis von Zyklen und Prozessen. Nachhaltigkeit im Bauwesen muss sich als Konzept etablieren und interdisziplinär erarbeitet werden. So entstehen dauerhaft funktionierende Lösungen für neue und sanierte Gebäude, sei es bei der Planung, der Ausführung oder beim Betrieb.“ Im Fokus stünden dabei vor allem Veränderungen bei der Auswahl der Baustoffe. Das folge dem Problem der Verknappung von Rohstoffen bei dem Bau von Häusern und Straßen, vor allem Wasser und Sand. Christoph Wagener weiß, dass nicht jede Art von Sand geeignet für die Herstellung von Beton sei. Dazu brauche es hochwertige Sande. Der Architekt kritisiert: „Diese werden mittlerweile illegal von Stränden gebaggert oder vom Meeresboden abgesaugt. Nach einem Bericht des UN-Umweltprogramms UNEP von 2019 sind die Folgen dramatisch: Flüsse und Küsten erodieren, Ökosysteme werden geschädigt, Lebensräume zerstört. Materialforscher arbeiten an Lösungen. Der Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen oder auch das Recycling von Materialien rücken in den Fokus und müssen im nachhaltigen Lebenszyklus einer Immobilie Berücksichtigung finden.“

Bauen mit nachwachsenden Materialien ist auch für Mike Ruppelt der entscheidende Aspekt einer zukunftsorientierten Ausrichtung. Er ist Dozent der Technischen Universität Dortmund und Geschäftsführer des niedersächsischen Bauunternehmens Büter Bau. Das Bauen und Wohnen mit Holz und vielen anderen Werk- und Ausbaustoffen auf pflanzlicher Basis nehme zu. Sie lassen sich Bereichen vom
Mauerwerk über den Bodenbelag bis zum Dach einsetzen, so der Experte.

Mittlerweile ist es möglich, Häuser komplett aus natürlichen, chemiefreien Baustoffen zu sanieren oder zu bauen. „Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen speichern das Kohlendioxid, das die Pflanzen ursprünglich im Wachstum aufgenommen haben, für einen langen Zeitraum und benötigen in der Regel nur wenig Energie zu ihrer Herstellung.“ Mike Ruppelt verweist dabei auf die Richtlinie zur Förderung des klimafreundlichen Bauens mit Holz des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Dem
klimafreundlichen Bauen mit Holz komme eine Schlüsselrolle zu, auch bei komplexen Bauvorhaben, heißt es.

Der Bauexperte weiß aus der Praxis, dass das Bauen mit Holz im direkten Vergleich nicht teurer sei als bei vergleichbaren Massivbaukonstruktionen. Zwar könne der Ausbau mit einem hohen Anteil nachwachsender Rohstoffe beispielsweise bei Dämmstoffen, Fußböden und Naturfarben Mehrkosten verursachen. Aber es gebe dann eben auch einen Mehrwert an Nachhaltigkeit und Nutzungsqualität. „Entscheidend ist das Gesamtkonzept, das einem Gebäude zugrunde liegt. Erfahrene Planer können hier ein Optimum an Bauqualität und Wirtschaftlichkeit erzielen.“

Mike Ruppelt nennt neben Holz übrigens auch Baustoffe wie Ton, Lehm und Kies, Dämmstoffe wie Flachs, Hanf, Kokosfasern, Schafwolle, Schilf und Stroh und ökologische Farben und Lacke aus pflanzlichen Farbpigmenten, Baumharzen, Wachsen, Ölen und Fetten.