Rassistischer Hintergrund vermutet Unbekannter soll 17-Jährigen mit Tod bedroht haben

Unterrath. · Der Jugendliche wurde in Düsseldorf an einer S-Bahn-Haltestelle gewürgt. Die Tat hat mutmaßlich einen rassistischen Hintergrund – der Staatsschutz ermittelt. Durch den Vorfall ist das Leben der betroffenen Familie aus den Fugen geraten.

 Der Angriff auf den 17-Jährigen erfolgte nachmittags an der S-Bahn-Haltestelle Unterrath.

Der Angriff auf den 17-Jährigen erfolgte nachmittags an der S-Bahn-Haltestelle Unterrath.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Mit Alltagsrassismus haben Karima Gandhora (Name geändert) und ihre Kinder wegen ihres marokkanischen Hintergrunds immer wieder zu tun. Doch das, was ihrem Sohn am 31. Oktober in Düsseldorf-Unterrath zugestoßen ist, sei, wie sie selbst sagt, ein tiefer Einschnitt in ihr Leben. An diesem Tag wurde der 17-Jährige nachmittags an der S-Bahnhaltestelle Unterrath nach eigenen Angaben beim Aussteigen von einem Mann ins Gesicht geschlagen und gewürgt.

Umstehende Menschen kamen nicht zur Hilfe

Der Angreifer habe dabei „Ich bringe dich um“ geschrien, sagt Gandhoras Sohn, der sich nur knapp in die Bahn retten konnte. Umstehende seien nicht eingeschritten. Als er in der Bahn die Polizei informierte, habe er die Auskunft erhalten, dass er bis zum Flughafen weiterfahren und dort Anzeige bei der Bundespolizei erstatten solle. Ein Streifenwagen könne nicht geschickt werden. Aus Gandhoras Sicht hat die Polizei zu nachlässig reagiert, was sie auch über soziale Medien verbreitet hat. Die 38-Jährige, die in gehobener Position in der Bonner Stadtverwaltung arbeitet, hat zwar Strafanzeige wegen des Angriffs gestellt, wünscht sich aber mehr Nachdruck bei den Ermittlungen.

„Aufgrund des Facebook-Posts sind wir proaktiv an Frau Gandhora herangetreten und haben umgehend geprüft, ob ein mögliches polizeiliches Fehlverhalten vorliegt“, sagt Polizeisprecher Henrik Welp. Mit dem Ergebnis, dass kein Fehlverhalten ersichtlich sei, insbesondere, da der gesamte Ablauf mit dem 17-Jährigen so vereinbart gewesen war, so Welp. Der Vorgang wurde an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, eine abschließende Bewertung stehe noch aus. Eine Anzeige von Frau Gandhora gegen die Polizei liege nicht vor.

Laut Welp hat der Staatsschutz die Ermittlungen zum Angriff übernommen und prüft, ob ein politisch motivierter Hintergrund vorliegt. Der Täter sei nach Angaben des 17-Jährigen rund 1,85 Meter groß, ungefähr 40 Jahre alt und habe eine Glatze. Er trug einen Mund-Nasen-Schutz, dahinter sei aber ein Bart zu erkennen gewesen. Ob Videoaufnahmen der Tat existieren, sagt die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen nicht.

Der Junge hat einen Termin für eine Traumatherapie

Gandhora ist es vor allem wichtig, dass der Angriff auf ihr Kind aufgeklärt wird. „Ich erkenne meinen Sohn nicht wieder“, sagt sie. Der Vorfall habe ihn psychisch aufgewühlt, er schlafe kaum noch, hat über die Opferberatung Rheinland mittlerweile einen Termin für eine Traumatherapie. Sie habe nicht damit gerechnet, dass ihre Kinder oder sie am helllichten Tag einer solch brutalen Attacke ausgesetzt sein könnten, sagt Amira Gandhora. Nachdem sie den Vorfall in den sozialen Medien publik machte, habe sie aber viel Unterstützung aus der Nachbarschaft erfahren. Der Täter kommt ihrer Einschätzung nach mutmaßlich aus der rechtsextremen Szene. 

Für Frank Harris, Berater bei der Opferberatung Rheinland, liegt die beschriebene Qualität des Angriffs über dem Durchschnitt. Laut Jahresstatistik der Opferberatung gab es im Jahr 2019 in NRW 202 rechte Gewalttaten mit 322 direkt betroffenen Menschen, 14 Prozent der Betroffenen waren unter 18 Jahre alt. „Die Attacken auf Kinder haben in den vergangenen Jahren zugenommen“, sagt Frank Harris.

Für die oft schon durch Fluchterfahrungen vortraumatisierten Opfer habe das nicht selten schwere psychische Folgen. Die Opferberatung Rheinland hilft dabei, therapeutische Behandlungsplätze zu vermitteln, will den Betroffenen das Gefühl geben, jemanden in allen auftretenden Fragen an der Seite zu haben. Harris: „Da immer wieder Betroffene berichten, dass ihnen ihre Gewalterfahrungen nicht oder nur zum Teil geglaubt werden, ist das Einnehmen der Betroffenenperspektive für uns von zentraler Bedeutung, um das verlorengegangene Vertrauen stückweise zurückgeben zu können.“