100. Geburtstag: Zeitzeugin aus einer anderen Welt

Lucie Posprich wurde am Samstag 100 Jahre alt. Mit dem Bergischen Volksboten blickt sie auf ihr bisheriges Leben zurück.

Burscheid. Die Frage passt Lucie Posprich überhaupt nicht, das sieht man ihr an. Überhaupt, der ganze Trubel um ihre Person ist ihr sichtlich unangenehm. "Wollen Sie das wirklich schreiben?

Das braucht doch keiner zu wissen", sagt sie mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht. Bei aller Bescheidenheit: Es lohnt sich, einen Blick auf das bewegte Leben von Lucie Posprich zu werfen, die heute im Kreise von Familie und Bekannten ihren 100. Geburtstag feiert.

Als Lucie Posprich am 11. Juli 1909 als Tochter des selbständigen Bandwebers Gustav Banse und seiner Ehefrau Auguste in Dhünn geboren wurde, war die Welt eine grundlegend andere als heute. In Deutschland regierte der Kaiser, Frack, Zylinder und preußische Pickelhaube dominierten das Straßenbild. Einzig die SPD lag schon damals klar unter 30 Prozent.

An diese Zeit kann sich die rüstige Dame mit den gepflegten schneeweißen Harren und der adretten Bluse noch genau erinnern. Die Mentalität der Menschen sei zu jener Zeit anders gewesen als heutzutage: "Es war eine arme Zeit, aber die Leute waren mit weniger zufrieden als heute. Außerdem war früher alles etwas langsamer, nicht so hektisch."

Dennoch, auch in der heutigen Zeit hält sich die Jubilarin stets auf dem Laufenden. Pünktlich um 17 Uhr sitzt sie jeden Tag in ihrem Fernsehsessel und schaut die Nachrichten. Über Burscheid und Umgebung weiß Lucie Posprich da längst Bescheid, schließlich liest sie jeden morgen den Bergischen Volksboten.

Seit 75 Jahren. "Da hieß das noch Burscheider Zeitung", sagt Lucie Posprich, die seit 43 Jahren in Witzhelden lebt. Dennoch sei sie immer Burscheiderin geblieben, wo sie mit ihrer Familie viele Jahrzehnte gelebt hat.

Mit Nachdruck und preußischer Disziplin trotzt sie den Alterserscheinungen und den damit verbundenen Wehwehchen: Jeden Mittag um 12 Uhr steht ein selbstgekochtes Essen auf dem Tisch, zudem backt sie leidenschaftlich gerne Hefestuten und Streuselkuchen.

Treppen bereiten ihr zwar Schwierigkeiten, aber, und da ist wieder dieses verschmitzte Lachen, "ich gehe meinem Arzt deshalb nicht auf die Nerven". Ihr Erfolgsrezept für die Fitness im Alter ist einfach, aber unschlagbar: "Ich habe immer solide gelebt und habe einen treuen Ehemann gehabt." August Posprich, mit dem sie 56 Jahre verheiratet war, starb 1996.

Die Geburtstagsfeierlichkeiten am heutigen Tag, zu denen 40 Gäste kommen, darunter ihre zwei Enkel und vier Urenkel, sind ihr innerlich ein Graus. "Stellen Sie sich vor, ich soll sogar eine Ansprache halten. Ich glaub’, das mache ich nicht". Wird sie doch. Wahrscheinlich mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht.