Abschied vom unbekannten Vater
Kriegsgräberfürsorge: Von Kindesbeinen an gab es für Gisela Kupferschmidt nur ihre Mutter. Seit einem Jahr hat auch die Trauer um den Vater einen Ort.
Burscheid. Manchmal hinterlassen gerade diejenigen Menschen die größten Lücken, die nie wirklich da waren. Als Gisela Kupferschmidt etwa zwei Jahre alt ist, entsteht das einzige Foto mit ihrem Vater.
Wenig später, es ist November 1942, gerät der damals 29-Jährige in der russischen Ortschaft Tim östlich von Kursk schwer verwundet in Kriegsgefangenschaft. Seither gilt er als verschollen. "Mein Vater fehlte mir immer", sagt seine Tochter noch heute, mit 70 Jahren.
Als ihre Mutter vor drei Jahren stirbt, lässt Gisela Kupferschmidt den Namen des Vaters mit in den Grabstein eingravieren. Der Tod der Mutter gibt auch den Anstoß für einen Brief an die Deutsche Kriegsgräberfürsorge.
Dort erfährt sie, dass für Oktober 2009 die Eröffnung eines deutschen Soldatenfriedhofs in Besedino bei Kursk geplant ist. Auf ihr Betreiben hin soll auch der Name ihres Vaters auf einer der geplanten Gedenkstelen genannt werden - Grund für eine Russlandreise zur Eröffnung im vergangenen Jahr.
Als Gisela Kupferschmidt Mitte Oktober 2009 ins Flugzeug nach Moskau steigt, trägt sie nicht nur das Reisegepäck mit sich, sondern auch viel Furcht vor den Gefühlen, die in den acht Tagen geweckt werden könnten. "Aber ich wollte es auch. Es musste sein. Das war für mich wie eine Beisetzung."
Auf dem Moskauer Flughafen lernt sie einige der 130 Angehörigen aus Deutschland, Belgien und Luxemburg kennen, die sich ebenfalls auf den Weg nach Russland gemacht haben.
Der Austausch von Lebensschicksalen und Gemeinsamkeiten wird zum Trost. Aber der emotionalen Belastung kann niemand entkommen. "Im Bus von Moskau nach Kursk herrschte gedrückte Stimmung und völlige Stille."
Doch der Nachmittag des 17. Oktober wird trotz aller Aufgewühltheit auch eine Art Abschluss der lebenslangen Sehnsucht nach dem unbekannten Vater.
In Besedino, nicht weit von dem Ort entfernt, wo sich Gerhard Oslislos Spuren 1942 verlieren, "hatte ich immer das Gefühl, hier bin ich ihm nahe". Seither, sagt sie von sich selbst, habe sie "ein bisschen Ruhe gefunden".
Der Deutschen Kriegsgräberfürsorge ist sie bis heute dankbar für diese Möglichkeit des Abschiednehmens 67 Jahre nach dem Verschwinden des Vaters aus ihrem Leben. "Das ist großartig, was dort geleistet wird."