Auf den Spuren einer Kölner Familie

Jahrzehnte lang waren die Katz-Rosenthals mit ihrer Metzgerei eine Institution in der Domstadt. Unter den Nationalsozialisten wurde die jüdische Familie verleumdet, verfolgt und in den Tod getrieben.

Foto: Privat, Sammlung Familie Katz

Köln. 2002 zog Michael Vieten mit seiner WG in die große Wohnung in der Kölner Ehrenstraße 86- „Ich war beeindruckt von der Architektur des Altbaus und wollte wissen, was diese Wände früher erlebt haben. Im Gespräch mit einer Nachbarin habe ich erfahren, dass sich in unserer Wohnung jemand umgebracht hat. Da wollte ich herausfinden, wer das gewesen ist“, erinnert sich Vieten an den Ursprung seines gerade erschienen Buches zur jüdischen Familie Katz-Rosenthal.

Über das NS-Dok und weitere Institution laufen seine aufwendigen Recherchen, die den gebürtigen Bonner 2010 zu den Nachfahren der Familie in England und im US-Staat Florida führen. Von ihnen erhofft er sich Informationen aus erster Hand. „Zunächst war die Familie zurückhaltend, aber später ist sie für mich zu einer neuen Familie geworden.“ So kommt Rudolf Katz von England in seine alte Heimatstadt zurück. Tief berührt ist er bei einem Besuch in einem Kölner Brauhaus: „Hier bin ich zu Hause“, sagt Katz und besucht auch sein altes Elternhaus, vor dem inzwischen zwei Stolpersteine an die einstigen Bewohner erinnern.

Kontakt findet Vieten auch zu Ellen, die heute 103-jährig in Florida lebt — die Tochter von Abraham Katz, der sich in der Wohnung erschossen hat, weil er als jüdischer Geschäftsmann in Köln keine Zukunft mehr für sich sah. „Von ihr habe ich viel vom Tagesverlauf der Familie erfahren, die durch unsere Gespräche quasi wieder zu Leben erweckt wurde.“

Die Metzgerei Katz-Rosenthal war eine echte Institution in Köln. Ihre Zentrale war in der Ehrenstraße 86, dazu kamen viele Filialen sowie die eigenen Metzgereibetriebe der Geschwister in Köln. Die aus der Voreifel stammende Familie war bei den Kölnern wegen ihrer besonderen Wurstwaren, der großen Auswahl und der günstigen Preise sehr beliebt. Mit einem Jahresumsatz von drei Millionen Reichsmark gehörte man zu den Großverdienern.

Innovativ war die Familie zudem — mit dem eigenen Mittagsimbiss erfand man das „Fast Food“ am Rhein und öffnete auch Restaurants mit Selbstbedienung. Außerdem war man gut vernetzt und bezog das Vieh aus ganz Deutschland, aber auch teilweise aus Überseeländern wie Argentinien. Mit lebendigen Schafen warb man an Ostern für die eigenen Produkte, die nicht koscher waren. Die Katz-Rosenthals waren eine liberale jüdische Familie.

Das bewahrt sie nicht, in den Fokus der erbarmungslosen Nazis zu geraten. Der inszenierte „Mausskandal“ bringt die Familie 1928 in große Schwierigkeit. Im SB-Restaurant an der Schildergasse behauptet der Boxer Jakob Domgörgen, eine halbe Maus in seinem Gulasch gefunden zu haben und verlangt Schadensersatz, weil er seine angeblich seine Karriere als Sportler beenden muss. Der „Westdeutsche Beobachter“ tritt als rechte Propaganda-Zeitung eine Verleumdungslawine gegen die jüdische Familie los und steigert so seine Auflage massiv. Gegendarstellungen und Anzeigen in anderen Zeitungen bringen nicht die erhoffte Wirkung für die Katz-Rosenthals.

Die Agitatoren des Blattes, der spätere Reichsleiter Robert Ley und der Gauleiter Josef Grohé veranstalten Kundgebungen und bringen die Massen vor die Zentrale in der Ehrenstraße. Auch der gerichtliche Sieg in zweiter Instanz bleibt für die Familie wirkungslos. Dazu kommt, dass fünf Jahre später die Nazis zum Boykott jüdischer Läden aufrufen und sich davor mit ihren SA-Männern postieren. 1935 bleibt den Katz-Rosenthals nichts anders übrig, als ihre Geschäfte zu schließen. Ein Teil der Familie bleibt in Köln, der Rest flieht in die Niederlande.

Überlebt hat von den Geschwistern niemand, auch zwei der Kinder sterben bzw. werden ermordet. Das jetzige Buchprojekt wurde von der Familie unterstützt und finanziert.