Kollwitz Berliner Kunst zur Kaiserzeit

Köln · Das Käthe Kollwitz Museum zeigt ab dem 10. Oktober Werke von Käthe Kollwitz bis Otto Dix.

 „Arbeiter vom Bahnhof kommend“ von Käthe Kollwitz.

„Arbeiter vom Bahnhof kommend“ von Käthe Kollwitz.

Foto: Käthe Kollwitz Museum Köln

. Rau, ruppig und politisch unbequem: Die Berliner Kunst zur Kaiserzeit besitzt Sprengkraft. Von Wilhelm II. mit dem Verdikt der „Rinnsteinkunst“ belegt, widmen sich Künstler der Berliner Secession um 1900 erstmals dezidiert sozialen Themen. Sie begründen eine spezifisch berlinische Tradition des sozialkritischen Realismus, die in der Kunst der Weimarer Republik ihre konsequente Fortsetzung findet.

Mit der Ausstellung „Berliner Realismus - von Käthe Kollwitz bis Otto Dix“ präsentiert das Käthe Kollwitz Museum vom 10. Oktober bis 5. Januar mehr als 120 Werke – von Ölmalerei, Zeichnung und Druckgraphik über Plakatkunst und Photographie bis hin zum Film – und spannt gleichzeitig einen Bogen von den 1890er bis in die 1930er Jahre.

Krieg, Revolution und Prostitution sind wiederkehrende Motive

Wie ein roter Faden zieht sich die Auseinandersetzung mit den sozialen Missständen in Deutschland durch die Berliner Kunst. Unabhängig von den zahlreichen Stilrichtungen der Moderne sind Krieg, Revolution, Kapitalismuskritik, soziale Ungleichheit und Prostitution immer wiederkehrende Motive.

Die prekären Lebens- und Wohnverhältnisse der mit der zunehmenden Industrialisierung stark angewachsenen Arbeiterschaft sind zentrale Themen bei Heinrich Zille, Käthe Kollwitz und Hans Baluschek. Ihre Werke veranschaulichen in der äußerlich glanzvollen Kaiserzeit die Armut, den Hunger und das soziale Elend im Milieu.

Der Erste Weltkrieg bedeutet eine drastische Zäsur. Die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts stürzt junge Maler und Graphiker wie Willy Jaeckel, Otto Dix oder George Grosz in existenzielle Erfahrungen, die sie anschließend in ihren Werken künstlerisch verarbeiten. Diese zweite Generation der Berliner Realisten – darunter auch Otto Nagel, Conrad Felixmüller und Werner Scholz – ergreift in der Weimarer Republik nicht mehr nur Partei für den „kleinen Mann“, sondern kritisiert mit zunehmend politischer Intention die gesellschaftlichen Zustände. Künstler wie John Heartfield veröffentlichen in neuen Medien wie der Arbeiter-Illustrierten-Zeitung eindringliche Photomontagen und Collagen aus Text und Bild, um politische Entwicklungen zu kommentieren.

Die Ausstellung präsentiert auch photographische Positionen: Werke von August Sander und Friedrich Seidenstücker ebenso wie Aufnahmen von Ernst Thormann, die zeigen, wie es der jungen Arbeiterphotographie gelingt, die Lebensumstände der unteren Gesellschaftsschichten aus einer selbst gewählten Perspektive zu dokumentieren. Zwei Werke des proletarischen Films sind im Rahmenprogramm zu sehen: „Mutter Krausen´s Fahrt ins Glück“ (1929), ein Höhepunkt des Weimarer Kinos am Ende der Stummfilmzeit, für den Käthe Kollwitz ein Plakat in einem außergewöhnlich großen Format geschaffen hat, sowie „Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt?“ (1932), ein Beispiel für Agitprop und ein Klassiker der modernen Filmkunst mit Texten von Bertolt Brecht und Musik von Hans Eisler. Donnerstags und sonntags finden öffentliche Führungen statt.